3.3.74

Alice in den Städten (Wim Wenders, 1974)

»Erzählst du mir eine Geschichte?« – »Ich weiß keine Geschichte.« Ein Mann und ein Mädchen. Philip (Rüdiger Vogler) ist 31, Alice (Yella Rottländer) ist 9. Sie begegnen sich zufällig, am New Yorker Flughafen, in einer Drehtür. Die Umstände binden sie aneinander, schicken sie auf die Reise, von Amerika nach Amsterdam, weiter nach Wuppertal, durch das Ruhrgebiet (»Essen ist gut.«), den Rhein hinunter. Ein Journalist, der die geplante Reportage nicht zustande bringt, und ein Kind, dessen Mutter vorübergehend eigene Wege geht, gemeinsam unterwegs, er auf der Suche nach dem verlorenen Gefühl von sich selbst, sie auf der Suche nach dem Haus der Großmutter, von dem es ein verwaschenes Foto gibt, aber keine Adresse. Wim Wenders entwickelt mit zärtlicher Aufmerksamkeit die Chronik der laufenden Ereignisse eines schwierigen Kennenlernens, einer zaghaften Annährung, einer Expedition in die aufregend unbekannte Gegenwart: Tankstellen, Hotelzimmer, Telefonzellen, Imbißstuben, Hochhäuser, Schwimmbäder, Wohnsiedlungen. Dazu der minimalistische Soundtrack von »Can« und die Aufnahmen, die Philip mit seiner Polaroid SX-70 schießt: sich Bilder machen von der Welt, wenn schon die Worte fehlen, sie zu beschreiben … aber: »Es ist doch nie das drauf, was man gesehen hat.« Film als Registrieren von Oberflächenreizen – Fassaden, Neonschriften, TV-Programme –, als Kompendium von Verkehrsmitteln – Auto, Bus, U-Bahn, Flugzeug, Zug, Schwebebahn, Fähre –, als Erkundungstour ohne festes Ziel: sich verlaufen, um sich zu finden. »Und du? Was machst du?«

R Wim Wenders B Wim Wenders, Veith von Fürstenberg K Robby Müller M Can S Peter Przygodda P Peter Genée D Rüdiger Vogler, Yella Rottländer, Lisa Kreuzer, Edda Köchl, Hans Hirschmüller | BRD | 112 min | 1:1,37 | sw | 3. März 1974

# 1035 | 28. November 2016

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