Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren
»That’s a terrible scream.« Auf der Jagd nach dem passenden Todesschrei für den Soundtrack des Billig-Slashers »Co-ed Frenzy« (Nachfolger solcher Meisterwerke wie »Blood Bath«, »Bad Day at Blood Beach« und »Bordello of Blood«), gerät Tonmeister Jack Terry (John Travolta) aus Philadelphia (der Stadt, in der 1776 die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten erklärt wurde) unvesehens ins Räderwerk einer politischen Intrige von nationaler Tragweite ... Angelehnt an Antonionis »Blowup«, Coppolas »The Conversation«, Pakulas »Parallax View«, allesamt Studien über die Relation von Oberfläche und Hintergrund, Öffentlichkeit und Geheimnis, sowie unter Anspielung auf fatale Schlüsselereignisse der jüngeren US-Geschichte (Kennedy-Attentat, Chappaquiddick, Watergate) entwickelt Brian De Palma ein Paranoia-Thriller von großer erzählerischer Ökonomie und hoher formaler Brillanz. Jacks Bemühungen, das Komplott, dem er auf der Spur zu sein glaubt, aufzudecken, den Skandal aller Welt vor Ohren zu führen, treiben den Mann, der zuviel hörte, (und seine Mitstreiterin Sally (Nancy Allen), eine Blondine für Geld) durch ein düsteres, immer wieder von blutroten Schlaglichtern illuminiertes Labyrinth zum drastischen Showdown am Liberty Day und weiter zur bitteren Schlußpointe: »It’s a good scream. It’s a good scream.«
R Brian De Palma B Brian De Palma K Vilmos Zsigmond M Pino Donaggio A Paul Sylbert Ko Vicky Sánchez S Paul Hirsch P George Litto D John Travolta, Nancy Allen, John Lithgow, Dennis Franz | USA | 108 min | 1:2,35 | f | 7. Juli 1981
# 1131 | 28. Juni 2018
Posts mit dem Label Verschwörung werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Verschwörung werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
7.7.81
Blow Out (Brian De Palma, 1981)
4.4.76
All the President’s Men (Alan J. Pakula, 1976)
Die Unbestechlichen
»Where's the goddamn story?« ruft Ben Bradlee enerviert: Auch als es seinen Reportern schon längst gelungen ist, aus dem Wirrwarr der Ereignis- und Konspirationsfäden persönliche und finanzielle Verbindungslinien zwischen Geheimdiensten, organisierter Kriminalität, Parteigruppen und allerhöchsten Staatsbehörden herauszupraktizieren, will der Chefredakteur der ›Washington Post‹ nicht an eine »Geschichte« glauben. Schlicht undenkbar scheint es ihm (und vielen anderen), das Weiße Haus könnte Zentrum und Ausgangspunkt des wohl größten politischen Skandals des 20. Jahrhunderts sein. Basierend auf dem 1974 erschienenen Bericht »All the President's Men« von Bob Woodward und Carl Bernstein (dessen Rechte Robert Redford sich bereits gesichert hatte, als die Enthüllungsarbeit gerade erst angelaufen, das Buch also noch gar nicht geschrieben war) schildert Alan J. Pakula mit geduldiger Hingabe das außerordentlich mühselige journalistische Tagwerk: das Telefonieren, das Wühlen in Archiven, das Warten in Vorzimmern, das Befragen von verstockten Zeugen, kurz: das Aufstöbern von winzigen Puzzleteilen, die sich nach und nach zu einem Bild zusammensetzen. So erweist sich der Einbruch ins Hauptquartier der Demokraten im Watergate-Komplex am Ende nur als einzelner Aspekt des zutiefst korrupten Herrschaftssystems von US-Präsident Richard ›I’m not a crook‹ Nixon. Neben der erzählerischen Präzision und der eindringlich ausgemalten Paranoia-Atmosphäre (Kameramann Gordon Willis setzt die strahlende Helligkeit der Redaktionsräume gegen das bedrohliche Dunkel der Außenwelt), ist es vor allem der charakterliche Kontrast zwischen den Protagonisten – Woodward (Redford) und seine abwägende Kühle, Bernstein (Dustin Hoffman) und seine vorpreschende Impulsivität –, der sukzessive vibrierende Spannung aufbaut, bis der Film (wie die historische Wirklichkeit) mit Nixons Rücktritt einen halbwegs glücklichen Ausgang nimmt.
R Alan J. Pakula B William Goldman V Bob Woodward, Carl Bernstein K Gordon Willis M David Shire A George Jenkins S Robert L. Wolfe P Walter Coblenz D Robert Redford, Dustin Hoffman, Jack Warden, Jason Robards, Martin Balsam, Hal Halbrook | USA | 138 min | 1:1,85 | f | 4. April 1976
# 973 | 6. Oktober 2015
»Where's the goddamn story?« ruft Ben Bradlee enerviert: Auch als es seinen Reportern schon längst gelungen ist, aus dem Wirrwarr der Ereignis- und Konspirationsfäden persönliche und finanzielle Verbindungslinien zwischen Geheimdiensten, organisierter Kriminalität, Parteigruppen und allerhöchsten Staatsbehörden herauszupraktizieren, will der Chefredakteur der ›Washington Post‹ nicht an eine »Geschichte« glauben. Schlicht undenkbar scheint es ihm (und vielen anderen), das Weiße Haus könnte Zentrum und Ausgangspunkt des wohl größten politischen Skandals des 20. Jahrhunderts sein. Basierend auf dem 1974 erschienenen Bericht »All the President's Men« von Bob Woodward und Carl Bernstein (dessen Rechte Robert Redford sich bereits gesichert hatte, als die Enthüllungsarbeit gerade erst angelaufen, das Buch also noch gar nicht geschrieben war) schildert Alan J. Pakula mit geduldiger Hingabe das außerordentlich mühselige journalistische Tagwerk: das Telefonieren, das Wühlen in Archiven, das Warten in Vorzimmern, das Befragen von verstockten Zeugen, kurz: das Aufstöbern von winzigen Puzzleteilen, die sich nach und nach zu einem Bild zusammensetzen. So erweist sich der Einbruch ins Hauptquartier der Demokraten im Watergate-Komplex am Ende nur als einzelner Aspekt des zutiefst korrupten Herrschaftssystems von US-Präsident Richard ›I’m not a crook‹ Nixon. Neben der erzählerischen Präzision und der eindringlich ausgemalten Paranoia-Atmosphäre (Kameramann Gordon Willis setzt die strahlende Helligkeit der Redaktionsräume gegen das bedrohliche Dunkel der Außenwelt), ist es vor allem der charakterliche Kontrast zwischen den Protagonisten – Woodward (Redford) und seine abwägende Kühle, Bernstein (Dustin Hoffman) und seine vorpreschende Impulsivität –, der sukzessive vibrierende Spannung aufbaut, bis der Film (wie die historische Wirklichkeit) mit Nixons Rücktritt einen halbwegs glücklichen Ausgang nimmt.
R Alan J. Pakula B William Goldman V Bob Woodward, Carl Bernstein K Gordon Willis M David Shire A George Jenkins S Robert L. Wolfe P Walter Coblenz D Robert Redford, Dustin Hoffman, Jack Warden, Jason Robards, Martin Balsam, Hal Halbrook | USA | 138 min | 1:1,85 | f | 4. April 1976
# 973 | 6. Oktober 2015
Labels:
Balsam,
Hoffman,
Journalist,
Pakula,
Paranoia,
Politik,
Presse,
Redford,
Thriller,
Verschwörung,
Washington D.C.,
William Goldman
12.2.76
Cadaveri eccellenti (Francesco Rosi, 1976)
Die Macht und ihr Preis
»Die Wahrheit zu sagen ist revolutionär.« (Antonio Gramsci, italienischer Marxist) … »Was ist Wahrheit?« (Pontius Pilatus, römischer Präfekt) … In verschiedenen Städten im Süden des Landes sterben Richter und Staatsanwälte wie die Fliegen – zielsicher abgeschossen von einem unbekannten Killer. Ist der Täter ein Psychopath? Ein Chaot? Ein Extremist? Kommissar Rogas (Lino Ventura), stoisch-integrer Kriminalist aus der Hauptstadt, entdeckt einen möglichen Zusammenhang zwischen den erlauchten Leichnamen: Rächt sich das Opfer eines Justizirrtums an denjenigen, die ihn einst zu Unrecht verurteilten? Klarheit ist in diesem Fall nicht zu gewinnen: Je tiefer Rogas in die Ermittlung eintaucht, desto unübersichtlicher werden die Hintergründe, desto verschlungener erscheinen die Beziehungen der Betroffenen und Beteiligten – bis sich hinter der Mordserie das schwarze Loch einer allumfassenden Verschwörung auftut: In altehrwürdigen Palästen wird der Staatsstreich vorbereitet. Die unheimliche Macht, die im Namen von Sicherheit und Ordnung an die Grundfesten von Sicherheit und Ordnung rührt, bleibt wesenlos, ungreifbar, schattenhaft; Politiker und Militärs sind am Komplott ebenso beteiligt wie Geheimdienstler und Wirtschaftbosse. Die Kriminalerzählung wandelt sich peu à peu in die intensive Beschreibung einer Landschaft der Angst; am abgründigsten ist Francesco Rosis morbider Paranoia-Thriller da, wo er, statt eine erklärende Auflösung zu bieten, die politischen Gegner der konspirativen Dunkelmänner mit bitterernster Ironie als Mitglieder des Kartells demaskiert. Auch die linke Opposition ist Teil und Stütze eines geschlossenen, ausweglosen Systems: »La verità non è sempre rivoluzionaria«, subsumiert der kommunistische Parteifunktionär – die Wahrheit ist nicht immer revolutionär. PS: »Cadaveri eccellenti« endet mit folgender Schrifttafel: »I fatti e i personaggi di questo film non hanno riferimento con fatti e persone reali.« 1981 werden italienische Untersuchungsbehörden die Aktivitäten der Geheimorganisation »Propaganda Due« (»P2«) enthüllen, deren tatsächliche Subversionstätigkeit zur Vorbereitung eines Umsturzes der von Rosi ausgemalten fiktiven Intrige auf verblüffende Weise ähnelte.
R Francesco Rosi B Francesco Rosi, Tonino Guerra, Lino Iannuzzi V Leonardo Schiaschia K Pasqualino De Santis M Piero Piccioni A Andrea Crisanti S Ruggero Mastroianni P Alberto Grimaldi D Lino Ventura, Alain Cuny, Max von Sydow, Fernando Rey, Charles Vanel | I & F | 120 min | 1:1,85 | f | 12. Februar 1976
»Die Wahrheit zu sagen ist revolutionär.« (Antonio Gramsci, italienischer Marxist) … »Was ist Wahrheit?« (Pontius Pilatus, römischer Präfekt) … In verschiedenen Städten im Süden des Landes sterben Richter und Staatsanwälte wie die Fliegen – zielsicher abgeschossen von einem unbekannten Killer. Ist der Täter ein Psychopath? Ein Chaot? Ein Extremist? Kommissar Rogas (Lino Ventura), stoisch-integrer Kriminalist aus der Hauptstadt, entdeckt einen möglichen Zusammenhang zwischen den erlauchten Leichnamen: Rächt sich das Opfer eines Justizirrtums an denjenigen, die ihn einst zu Unrecht verurteilten? Klarheit ist in diesem Fall nicht zu gewinnen: Je tiefer Rogas in die Ermittlung eintaucht, desto unübersichtlicher werden die Hintergründe, desto verschlungener erscheinen die Beziehungen der Betroffenen und Beteiligten – bis sich hinter der Mordserie das schwarze Loch einer allumfassenden Verschwörung auftut: In altehrwürdigen Palästen wird der Staatsstreich vorbereitet. Die unheimliche Macht, die im Namen von Sicherheit und Ordnung an die Grundfesten von Sicherheit und Ordnung rührt, bleibt wesenlos, ungreifbar, schattenhaft; Politiker und Militärs sind am Komplott ebenso beteiligt wie Geheimdienstler und Wirtschaftbosse. Die Kriminalerzählung wandelt sich peu à peu in die intensive Beschreibung einer Landschaft der Angst; am abgründigsten ist Francesco Rosis morbider Paranoia-Thriller da, wo er, statt eine erklärende Auflösung zu bieten, die politischen Gegner der konspirativen Dunkelmänner mit bitterernster Ironie als Mitglieder des Kartells demaskiert. Auch die linke Opposition ist Teil und Stütze eines geschlossenen, ausweglosen Systems: »La verità non è sempre rivoluzionaria«, subsumiert der kommunistische Parteifunktionär – die Wahrheit ist nicht immer revolutionär. PS: »Cadaveri eccellenti« endet mit folgender Schrifttafel: »I fatti e i personaggi di questo film non hanno riferimento con fatti e persone reali.« 1981 werden italienische Untersuchungsbehörden die Aktivitäten der Geheimorganisation »Propaganda Due« (»P2«) enthüllen, deren tatsächliche Subversionstätigkeit zur Vorbereitung eines Umsturzes der von Rosi ausgemalten fiktiven Intrige auf verblüffende Weise ähnelte.
R Francesco Rosi B Francesco Rosi, Tonino Guerra, Lino Iannuzzi V Leonardo Schiaschia K Pasqualino De Santis M Piero Piccioni A Andrea Crisanti S Ruggero Mastroianni P Alberto Grimaldi D Lino Ventura, Alain Cuny, Max von Sydow, Fernando Rey, Charles Vanel | I & F | 120 min | 1:1,85 | f | 12. Februar 1976
Labels:
Geheimdienst,
Guerra,
Justiz,
Mord,
Paranoia,
Politik,
Polizei,
Rey,
Rosi,
Serienmörder,
Thriller,
Ventura,
Verschwörung,
von Sydow
18.2.75
Professione: reporter (Michelangelo Antonioni, 1975)
Beruf: Reporter
»People disappear every day.« – »Every time they leave the room.« Die Handlung des Thrillers, behauptet Georg Seeßlen, sei eine umgekehrte Form der Befreiung, eine Befreiung, die erzwungen wird. Michelangelo Antonioni verfolgt in seiner Polit- und Paranoia-Thriller-Variation einen anderen Ansatz: nicht die Befreiung des Protagonisten wird erzwungen, sondern die Unmöglichkeit der Befreiung konstatiert. Der britische Journalist David Locke (Jack Nicholson), in der Sahara auf der glücklosen Jagd nach einer Story über den Kampf zwischen Rebellen und Regierungstruppen, nutzt die Gelegenheit, seiner ungeliebten Existenz zu entfliehen, indem er die Identität eines plötzlich verstorbenen Hotelnachbarn annimmt und Hinweisen im Taschenkalender des Mannes folgt, der, wie sich alsbald zeigt, als Waffenhändler im Auftrag der Freischärler tätig war. Antonioni und sein Autor Mark Peploe verarbeiten, freilich in beklemmender Zerdehnung, die klassischen Zutaten des Genres – illegale Geschäfte, verschwörerische Machenschaften, konspirative Treffen, heimliche Verfolgung –, und der Hauch einer Erinnerung an Alfred Hitchcocks »North by Northwest« schwebt über Lockes Nachforschung, Flucht, Passage, die ihn, in Begleitung einer mysteriösen Frau ohne Namen (Maria Schneider), aus der nordafrikanischen Wüste, über London, München und Barcelona, in ein karstiges Andalusien führt, das dem Ausgangspunkt dieser Reise ans Ende des Tages auf blendend-unheimliche Weise ähnelt. Weglaufen endet im Nichts, ein anderes Selbst bietet keine anderen Möglichkeiten, die Lösung eines Rätsel liegt jederzeit und allerorts in gleich weiter Ferne, so aussichtslos wie Befreiung erscheinen Erkenntnis und Verständigung: »Your question are much more revealing about yourself than my answer would be about me.«
R Michelangelo Antonioni B Mark Peploe, Michelangelo Antonioni, Peter Wollen K Luciano Tovoli A Piero Poletto S Michelangelo Antonioni, Franco Arcalli P Carlo Ponti D Jack Nicholson, Maria Schneider, Jenny Runacre, Ian Hendry, Stephen Berkoff | I & F & E | 126 min | 1:1,85 | f | 18. Februar 1975
# 1155 | 10. April 2019
»People disappear every day.« – »Every time they leave the room.« Die Handlung des Thrillers, behauptet Georg Seeßlen, sei eine umgekehrte Form der Befreiung, eine Befreiung, die erzwungen wird. Michelangelo Antonioni verfolgt in seiner Polit- und Paranoia-Thriller-Variation einen anderen Ansatz: nicht die Befreiung des Protagonisten wird erzwungen, sondern die Unmöglichkeit der Befreiung konstatiert. Der britische Journalist David Locke (Jack Nicholson), in der Sahara auf der glücklosen Jagd nach einer Story über den Kampf zwischen Rebellen und Regierungstruppen, nutzt die Gelegenheit, seiner ungeliebten Existenz zu entfliehen, indem er die Identität eines plötzlich verstorbenen Hotelnachbarn annimmt und Hinweisen im Taschenkalender des Mannes folgt, der, wie sich alsbald zeigt, als Waffenhändler im Auftrag der Freischärler tätig war. Antonioni und sein Autor Mark Peploe verarbeiten, freilich in beklemmender Zerdehnung, die klassischen Zutaten des Genres – illegale Geschäfte, verschwörerische Machenschaften, konspirative Treffen, heimliche Verfolgung –, und der Hauch einer Erinnerung an Alfred Hitchcocks »North by Northwest« schwebt über Lockes Nachforschung, Flucht, Passage, die ihn, in Begleitung einer mysteriösen Frau ohne Namen (Maria Schneider), aus der nordafrikanischen Wüste, über London, München und Barcelona, in ein karstiges Andalusien führt, das dem Ausgangspunkt dieser Reise ans Ende des Tages auf blendend-unheimliche Weise ähnelt. Weglaufen endet im Nichts, ein anderes Selbst bietet keine anderen Möglichkeiten, die Lösung eines Rätsel liegt jederzeit und allerorts in gleich weiter Ferne, so aussichtslos wie Befreiung erscheinen Erkenntnis und Verständigung: »Your question are much more revealing about yourself than my answer would be about me.«
R Michelangelo Antonioni B Mark Peploe, Michelangelo Antonioni, Peter Wollen K Luciano Tovoli A Piero Poletto S Michelangelo Antonioni, Franco Arcalli P Carlo Ponti D Jack Nicholson, Maria Schneider, Jenny Runacre, Ian Hendry, Stephen Berkoff | I & F & E | 126 min | 1:1,85 | f | 18. Februar 1975
# 1155 | 10. April 2019
Labels:
Andalusien,
Antonioni,
Barcelona,
Drama,
Fernsehen,
Hotel,
Journalist,
London,
München,
Nicholson,
Nordafrika,
Paranoia,
Politik,
Roadmovie,
Thriller,
Tod,
Verschwörung,
Wüste
14.6.74
The Parallax View (Alan J. Pakula, 1974)
Zeuge einer Verschwörung
Am Unabhängigkeitstag wird ein populärer Senator erschossen. »There is no evidence of a conspiracy«, befindet die unabhängige Untersuchungskommission trotz gewisser Ungereimtheiten. Nach und nach sterben zahlreiche Zeugen des Verbrechens auf rätselhafte Weise. Ein hitziger Provinzjournalist (Warren Beatty), der es mit den Standesregeln seines Berufes nicht allzu genau nimmt, schickt sich an, die Hintergründe des Attentats zu erhellen … Im Gewand eines Thrillers über politischen Mord und den (aussichtslosen) Versuch der Aufklärung thematisiert »The Parallax View« das Prinzip, das den beschriebenen Fall (der als einer von vielen erscheint) erst möglich macht, die Verfaßtheit einer Gesellschaftsordnung, die auf Manipulation sowie auf der Ausübung und Nutzbarmachung von Aggression gründet, einer Aggression, die nicht nur nach außen sondern vor allem nach innen gerichtet ist, besser gesagt: gerichtet wird. Alan J. Pakula setzt für sein finsteres Anti-Americana archetypische Schauplätze, Farben, Situationen und Figuren in Szene, Motive, deren fast groteske Klischeehaftigkeit entlarvende Funktion hat: Höhepunkt des Films ist eine fünfminütige Montageseqzenz (»We hope you find the test a pleasant experience.«), die Symbolbilder und Schlüsselbegriffe des amerikanischen Traums zelebriert, verwirrt, zertrümmert, um schließlich das traumatische Gegengesicht der nationalen Fiktionen sichtbar zu machen. Auf die Polarität zwischen Illusion und Alptraum verweisen auch der Score von Michael Small, der bedrohlichen Minimalismus und hysterisches Pathos kontrastiert, und die Bildgestaltung von Gordon Willis, der die Orte des Geschehens in kalte Helligkeit oder trostloses Dunkel taucht, der in extravaganten Perspektiven den Einzelnen als Spielball unkontrollierbarer Vorgänge zeigt. ... »There will be no questions.«
R Alan J. Pakula B Lorenzo Semple Jr., David Giler V Loren Singer K Gordon Willis M Michael Small A George Jenkins S John W. Wheeler P Alan J. Pakula D Warren Beatty, Hume Cronyn, Kenneth Mars, Walter McGinn, William Daniels, Paula Prentiss | USA | 102 min | 1:2,35 | f | 14. Juni 1974
# 840 | 23. Februar 2014
Am Unabhängigkeitstag wird ein populärer Senator erschossen. »There is no evidence of a conspiracy«, befindet die unabhängige Untersuchungskommission trotz gewisser Ungereimtheiten. Nach und nach sterben zahlreiche Zeugen des Verbrechens auf rätselhafte Weise. Ein hitziger Provinzjournalist (Warren Beatty), der es mit den Standesregeln seines Berufes nicht allzu genau nimmt, schickt sich an, die Hintergründe des Attentats zu erhellen … Im Gewand eines Thrillers über politischen Mord und den (aussichtslosen) Versuch der Aufklärung thematisiert »The Parallax View« das Prinzip, das den beschriebenen Fall (der als einer von vielen erscheint) erst möglich macht, die Verfaßtheit einer Gesellschaftsordnung, die auf Manipulation sowie auf der Ausübung und Nutzbarmachung von Aggression gründet, einer Aggression, die nicht nur nach außen sondern vor allem nach innen gerichtet ist, besser gesagt: gerichtet wird. Alan J. Pakula setzt für sein finsteres Anti-Americana archetypische Schauplätze, Farben, Situationen und Figuren in Szene, Motive, deren fast groteske Klischeehaftigkeit entlarvende Funktion hat: Höhepunkt des Films ist eine fünfminütige Montageseqzenz (»We hope you find the test a pleasant experience.«), die Symbolbilder und Schlüsselbegriffe des amerikanischen Traums zelebriert, verwirrt, zertrümmert, um schließlich das traumatische Gegengesicht der nationalen Fiktionen sichtbar zu machen. Auf die Polarität zwischen Illusion und Alptraum verweisen auch der Score von Michael Small, der bedrohlichen Minimalismus und hysterisches Pathos kontrastiert, und die Bildgestaltung von Gordon Willis, der die Orte des Geschehens in kalte Helligkeit oder trostloses Dunkel taucht, der in extravaganten Perspektiven den Einzelnen als Spielball unkontrollierbarer Vorgänge zeigt. ... »There will be no questions.«
R Alan J. Pakula B Lorenzo Semple Jr., David Giler V Loren Singer K Gordon Willis M Michael Small A George Jenkins S John W. Wheeler P Alan J. Pakula D Warren Beatty, Hume Cronyn, Kenneth Mars, Walter McGinn, William Daniels, Paula Prentiss | USA | 102 min | 1:2,35 | f | 14. Juni 1974
# 840 | 23. Februar 2014
Labels:
Beatty,
Gesellschaft,
Los Angeles,
Mord,
Pakula,
Paranoia,
Politik,
Presse,
Seattle,
Thriller,
Verschwörung
18.10.73
Les aventures de Rabbi Jacob (Gérard Oury, 1973)
Die Abenteuer des Rabbi Jacob
»Une grimace et vous êtes mort!« Polternd-subtiles Kabinettstück des hysterischen Realismus: Louis de Funès als erzrassistisches Pariser Unternehmer-Arschloch, das (nicht zuletzt wegen seiner stupenden Borniertheit) in namenlose Schwierigkeiten gerät und, ungewollt begleitet von einem arabischen Volkstribun, in Maske und Kostüm eines New Yorker Rabbiners vor den Nachstellungen heimischer Polizisten sowie fremdländischer Geheimdienstler flüchtet. »Die Revolution«, sagte Che Guevara, »ist wie ein Fahrrad – wenn sie stehenbleibt, fällt sie um.« Gérard Oury überträgt dieses Diktum auf die pädagogisch-boulevardeske Filmkomödie: Ohne ihm eine Atempause zu gönnen, schickt er seinen fratzenschneidenden Protagonisten – durch eine blubbernde Kaugummifabrik und über das kurvenreiche Gepäckband des Flughafens Orly, durch eine rappelvolle Synagoge im Marais und über den nationalstolzen Hof des Invalidendoms – auf den Weg der Menschwerdung … Ein abenteuerliches Vaudeville über den schönen Traum von Religionsfrieden, Völkerverständigung und Zivilisierung, über eine bessere Welt, in der es keine Schande wäre, jüdisch oder nicht jüdisch zu sein: »Ça ne fait rien, on vous garde quand même!«
R Gérard Oury B Gérard Oury, Danièle Thompson, Josy Eisenberg K Henri Decaë M Vladimir Cosma A Théo Meurisse S Albert Jurgenson P Bertrand Javal D Louis de Funès, Claude Giraud, Marcel Dalio, Suzy Delair, Henri Guybet | F & I | 100 min | 1:1,66 | f | 18. Oktober 1973
»Une grimace et vous êtes mort!« Polternd-subtiles Kabinettstück des hysterischen Realismus: Louis de Funès als erzrassistisches Pariser Unternehmer-Arschloch, das (nicht zuletzt wegen seiner stupenden Borniertheit) in namenlose Schwierigkeiten gerät und, ungewollt begleitet von einem arabischen Volkstribun, in Maske und Kostüm eines New Yorker Rabbiners vor den Nachstellungen heimischer Polizisten sowie fremdländischer Geheimdienstler flüchtet. »Die Revolution«, sagte Che Guevara, »ist wie ein Fahrrad – wenn sie stehenbleibt, fällt sie um.« Gérard Oury überträgt dieses Diktum auf die pädagogisch-boulevardeske Filmkomödie: Ohne ihm eine Atempause zu gönnen, schickt er seinen fratzenschneidenden Protagonisten – durch eine blubbernde Kaugummifabrik und über das kurvenreiche Gepäckband des Flughafens Orly, durch eine rappelvolle Synagoge im Marais und über den nationalstolzen Hof des Invalidendoms – auf den Weg der Menschwerdung … Ein abenteuerliches Vaudeville über den schönen Traum von Religionsfrieden, Völkerverständigung und Zivilisierung, über eine bessere Welt, in der es keine Schande wäre, jüdisch oder nicht jüdisch zu sein: »Ça ne fait rien, on vous garde quand même!«
R Gérard Oury B Gérard Oury, Danièle Thompson, Josy Eisenberg K Henri Decaë M Vladimir Cosma A Théo Meurisse S Albert Jurgenson P Bertrand Javal D Louis de Funès, Claude Giraud, Marcel Dalio, Suzy Delair, Henri Guybet | F & I | 100 min | 1:1,66 | f | 18. Oktober 1973
3.9.70
Fragment of Fear (Richard C. Sarafian, 1970)
Schatten der Angst
Verschwörungstheoretischer Mystery-Thriller um den jungen Schriftsteller Tim (David Hemmings), der seine bewegte Drogenvergangenheit zu einem Bestseller verarbeitet hat und den Verdacht hegt, daß seine (grausam ermordete) philanthropische Tante die Strippenzieherin eines weitverzweigten Erpresserringes war. Und wenn die böse Ahnung nichts anderes wäre als die Ausgeburt eines vom übermäßigen Genuß halluzinogener Substanzen irreversibel geschädigten Gehirns? Leider gelingt es Richard C. Sarafian in seiner Adaption eines Romans von John Bingham nur höchst unvollkommen, die Gratwanderung des Protagonisten zwischen kriminalistischer Recherche und paranoider Wahnvorstellung kinematographisch überzeugend zu gestalten – auch wenn die (von Oswald Morris überraschend einfallslos fotografierten) weitscheifigen Dialogpassagen in lausfarbenen Sleazy-London-Settings kurz vor Schluß des Films unversehens weitwinkligen Zerrbildern der (vermeintlichen?) Wirklichkeit weichen.
R Richard C. Sarafian B Paul Dehn V John Bingham K Oswald Morris M Johnny Harris A Ray Simm S Malcolm Cooke P John R. Sloan D David Hemmings, Gayle Hunnicut, Wilfrid Hyde-White, Mona Washbourne, Adolfo Celi, Flora Robson | UK | 94 min | 1:1,85 | f | 3. September 1970
# 1160 | 21. Mai 2019
Verschwörungstheoretischer Mystery-Thriller um den jungen Schriftsteller Tim (David Hemmings), der seine bewegte Drogenvergangenheit zu einem Bestseller verarbeitet hat und den Verdacht hegt, daß seine (grausam ermordete) philanthropische Tante die Strippenzieherin eines weitverzweigten Erpresserringes war. Und wenn die böse Ahnung nichts anderes wäre als die Ausgeburt eines vom übermäßigen Genuß halluzinogener Substanzen irreversibel geschädigten Gehirns? Leider gelingt es Richard C. Sarafian in seiner Adaption eines Romans von John Bingham nur höchst unvollkommen, die Gratwanderung des Protagonisten zwischen kriminalistischer Recherche und paranoider Wahnvorstellung kinematographisch überzeugend zu gestalten – auch wenn die (von Oswald Morris überraschend einfallslos fotografierten) weitscheifigen Dialogpassagen in lausfarbenen Sleazy-London-Settings kurz vor Schluß des Films unversehens weitwinkligen Zerrbildern der (vermeintlichen?) Wirklichkeit weichen.
R Richard C. Sarafian B Paul Dehn V John Bingham K Oswald Morris M Johnny Harris A Ray Simm S Malcolm Cooke P John R. Sloan D David Hemmings, Gayle Hunnicut, Wilfrid Hyde-White, Mona Washbourne, Adolfo Celi, Flora Robson | UK | 94 min | 1:1,85 | f | 3. September 1970
# 1160 | 21. Mai 2019
Labels:
Celi,
Drogen,
Erpressung,
Hemmings,
London,
Paranoia,
Polizei,
Sarafian,
Schriftsteller,
Thriller,
Verschwörung
27.10.67
La route de Corinthe (Claude Chabrol, 1967)
Die Straße von Korinth
»Je ne vous demande pas d’y croire, je vous propose d’y rêver.« Die Schweiz bei Hitchcock, das sind Berge, Seen und Schokolade. Claude Chabrol macht es ähnlich: Griechenland, das sind Marmor und Tempel, das blaue Meer und der zirpende Klang der Bouzouki. Die amüsant-nichtige Handlung seiner visuell recht attraktiven kleinen Spy-spoof-Etüde dreht sich um irgendwelche schwarzen Kästchen, die auf mysteriöse Weise die in der Ägäis stationierten NATO-Raketen stören. Ein Abwehrmann geht tot. Dessen naiv-beherzte Witwe Shanny (Jean Seberg) klärt den Fall auf – mehr oder weniger gegen den Willen des aalglatten Sektionschefs Sharps (Michel Bouquet), der lieber seiner Loukoum-Sucht frönt als den nachrichtendienstlichen Pflichten nachzukommen, dafür unterstützt von Dex (Maurice Ronet), einem Kollegen des Verstorbenen und baldigen love interest der Hinterbliebenen … Zum zweiten Mal nach »Marie-Chantal contre Dr. Kha« stellt Chabrol eine Frau, die wie ein schutzengelbehütetes Kind durch die Traumlandschaften des Verrats wandelt, in den Mittelpunkt einer parodistischen Spionageerzählung, und wiederum geht das Konzept auf. Zwar entwickelt der Regisseur die filmische Spannung bestenfalls theoretisch, schafft aber, vermittels dubioser Zauberkünstler und mörderischer Popen, weißer Kaninchen und Gräbern mit Telefonanschluß, verstreuter Rosenblätter, die den richtigen Weg weisen, und Statuen, die dunkle Geheimnisse bergen, eine Atmosphäre von lyrischer Absurdität.
R Claude Chabrol B Daniel Boulanger, Claude Brulé V Claude Rank K Jean Rabier M Pierre Jansen A Marilena Aravantinou S Jacques Gaillard P André Genovès D Jean Seberg, Maurice Ronet, Michel Bouquet, Christian Marquand, Saro Urzì | F & I & GR | 105 min | 1:1,66 | f | 27. Oktober 1967
»Je ne vous demande pas d’y croire, je vous propose d’y rêver.« Die Schweiz bei Hitchcock, das sind Berge, Seen und Schokolade. Claude Chabrol macht es ähnlich: Griechenland, das sind Marmor und Tempel, das blaue Meer und der zirpende Klang der Bouzouki. Die amüsant-nichtige Handlung seiner visuell recht attraktiven kleinen Spy-spoof-Etüde dreht sich um irgendwelche schwarzen Kästchen, die auf mysteriöse Weise die in der Ägäis stationierten NATO-Raketen stören. Ein Abwehrmann geht tot. Dessen naiv-beherzte Witwe Shanny (Jean Seberg) klärt den Fall auf – mehr oder weniger gegen den Willen des aalglatten Sektionschefs Sharps (Michel Bouquet), der lieber seiner Loukoum-Sucht frönt als den nachrichtendienstlichen Pflichten nachzukommen, dafür unterstützt von Dex (Maurice Ronet), einem Kollegen des Verstorbenen und baldigen love interest der Hinterbliebenen … Zum zweiten Mal nach »Marie-Chantal contre Dr. Kha« stellt Chabrol eine Frau, die wie ein schutzengelbehütetes Kind durch die Traumlandschaften des Verrats wandelt, in den Mittelpunkt einer parodistischen Spionageerzählung, und wiederum geht das Konzept auf. Zwar entwickelt der Regisseur die filmische Spannung bestenfalls theoretisch, schafft aber, vermittels dubioser Zauberkünstler und mörderischer Popen, weißer Kaninchen und Gräbern mit Telefonanschluß, verstreuter Rosenblätter, die den richtigen Weg weisen, und Statuen, die dunkle Geheimnisse bergen, eine Atmosphäre von lyrischer Absurdität.
R Claude Chabrol B Daniel Boulanger, Claude Brulé V Claude Rank K Jean Rabier M Pierre Jansen A Marilena Aravantinou S Jacques Gaillard P André Genovès D Jean Seberg, Maurice Ronet, Michel Bouquet, Christian Marquand, Saro Urzì | F & I & GR | 105 min | 1:1,66 | f | 27. Oktober 1967
Labels:
Athen,
Boulanger,
Bouquet,
Chabrol,
Geheimdienst,
Griechenland,
Komödie,
Mord,
Romanze,
Ronet,
Seberg,
Spionage,
Thriller,
Verschwörung
5.11.65
Le tigre se parfume à la dynamite (Claude Chabrol, 1965)
Der Tiger parfümiert sich mit Dynamit
In seinem zweiten (und letzten) Abenteuer verschlägt es den ›Tiger‹ Louis Rapière (Roger Hanin, der auch wieder das Drehbuch schrieb) nach Südamerika; der französische Agent soll den Rücktransport eines Goldschatzes überwachen, der aus einer einstmals vor Cayenne gesunkenen Galeone geborgen wurde. Das Gold wird gestohlen, und schon bald tut sich der Abgrund einer revolutionären Verschwörung auf: Die kryptofaschistische Geheimorganisation ›Orchidee‹ (unter Führung eines gewissen Hans Heinz von Wünschendorf) plant, nach dem Motto »heute gehört uns Guayana und morgen die ganze Welt«, den Umsturz in der Dschungelkolonie. Claude Chabrol verrührt Waffenschmuggel, Atomsprengköpfe und eine vage Rasseideologie zu einem klumpig-faden (im sonnigen Andalusien gedrehten) Thrillerpotpourri, das weder Michel Bouquet (als fanatischer Zoodirektor) noch Margaret Lee (als suspekte Amerikanerin Pamela Mitchum) und auch nicht ein Kurzauftritt des Regisseurs (als versoffener Röntgenarzt, der einen toten Hai durchleuchtet) aufwürzen können. Einzig die in Bouquets Tierpark spielende Schlußszene des Films erreicht eine gewisse surreale Qualität: Die Showdown-Montage, die statt des eigentlichen Schußwechsels Bilder eingesperrter, brüllender, flatternder Kreaturen zeigt, mag Stanley Donen und Luis Buñuel als Inspiration für ähnliche Sequenzen in »Arabesque« und »Le fantôme de la liberté« gedient haben.
R Claude Chabrol B Antoine Flachot (=Roger Hanin), Jean Curtelin K Jean Rabier M Jean Wiener A Juan Alberto Soler S Jacques Gaillard P Christine Gouze-Rénal D Roger Hanin, Margaret Lee, Michel Bouquet, Roger Dumas, Dodo Assad Bahador | F & I & E | 86 min | 1:1,66 | f | 5. November 1965
In seinem zweiten (und letzten) Abenteuer verschlägt es den ›Tiger‹ Louis Rapière (Roger Hanin, der auch wieder das Drehbuch schrieb) nach Südamerika; der französische Agent soll den Rücktransport eines Goldschatzes überwachen, der aus einer einstmals vor Cayenne gesunkenen Galeone geborgen wurde. Das Gold wird gestohlen, und schon bald tut sich der Abgrund einer revolutionären Verschwörung auf: Die kryptofaschistische Geheimorganisation ›Orchidee‹ (unter Führung eines gewissen Hans Heinz von Wünschendorf) plant, nach dem Motto »heute gehört uns Guayana und morgen die ganze Welt«, den Umsturz in der Dschungelkolonie. Claude Chabrol verrührt Waffenschmuggel, Atomsprengköpfe und eine vage Rasseideologie zu einem klumpig-faden (im sonnigen Andalusien gedrehten) Thrillerpotpourri, das weder Michel Bouquet (als fanatischer Zoodirektor) noch Margaret Lee (als suspekte Amerikanerin Pamela Mitchum) und auch nicht ein Kurzauftritt des Regisseurs (als versoffener Röntgenarzt, der einen toten Hai durchleuchtet) aufwürzen können. Einzig die in Bouquets Tierpark spielende Schlußszene des Films erreicht eine gewisse surreale Qualität: Die Showdown-Montage, die statt des eigentlichen Schußwechsels Bilder eingesperrter, brüllender, flatternder Kreaturen zeigt, mag Stanley Donen und Luis Buñuel als Inspiration für ähnliche Sequenzen in »Arabesque« und »Le fantôme de la liberté« gedient haben.
R Claude Chabrol B Antoine Flachot (=Roger Hanin), Jean Curtelin K Jean Rabier M Jean Wiener A Juan Alberto Soler S Jacques Gaillard P Christine Gouze-Rénal D Roger Hanin, Margaret Lee, Michel Bouquet, Roger Dumas, Dodo Assad Bahador | F & I & E | 86 min | 1:1,66 | f | 5. November 1965
22.2.63
Der Fluch der gelben Schlange (Franz Josef Gottlieb, 1963)
Die »Gelbe Gefahr« – eine unverwüstliche Angstfantasie der abendländischen Zivilisation. Schon Napoleon Bonaparte mahnt: »Laßt China schlafen. Wenn es erwacht, wird die Welt es bedauern.« Während des Kalten Krieges kursiert im Westen das Scherzwort: »Der Optimist lernt Russisch, der Pessimist Chinesisch.« Hergé-Schüler Edgar P. Jacobs eröffnet seine grandiose Comic-Serie »Blake und Mortimer« mit einem Angriff des »gelben Reiches« auf die »freie Welt«. Und auch der Berliner Produzent Artur Brauner warnt eindringlich vor der asiatischen Bedrohung: In der CCC-Edgar-Wallace-Adaption »Der Fluch der gelben Schlange« formiert sich unter Führung des spinnerten britisch-chinesischen Halbblutes Fing-Su (Pinkas Braun mit künstlichen Schlitzaugen) eine Untergrundarmee, die dem Reich der Mitte wieder alte Geltung verschaffen will; mit Goebbels-Timbre schwört der Eiferer seine Jünger auf das blutige Endspiel um die Weltherrschaft ein. (Joachim Fuchsberger und Eddi Arent machen dem bösen Chink freilich einen Strich durch die Rechnung.) … In den besseren Momenten des reichlich zerfahren erzählten Films transzendiert Regisseur Franz Josef Gottlieb den rabiaten Rassismus des Drehbuchs in kryptopolitisches Paranoiakino zwischen Fritz-Lang-Papp-Exotismus und dämonisch-parodistischer »Fantômas«-Maskerade.
R Franz Josef Gottlieb B Janne Furch, Franz Josef Gottlieb V Edgar Wallace K Siegfried Hold M Oskar Sala A Hans-Jürgen Kiebach, Ernst Schomer S Walter Wischniewsky P Artur Brauner D Joachim Fuchsberger, Pinkas Braun, Brigitte Grothum, Eddi Arent, Werner Peters | BRD | 98 min | 1:1,66 | sw | 22. Februar 1963
R Franz Josef Gottlieb B Janne Furch, Franz Josef Gottlieb V Edgar Wallace K Siegfried Hold M Oskar Sala A Hans-Jürgen Kiebach, Ernst Schomer S Walter Wischniewsky P Artur Brauner D Joachim Fuchsberger, Pinkas Braun, Brigitte Grothum, Eddi Arent, Werner Peters | BRD | 98 min | 1:1,66 | sw | 22. Februar 1963
Labels:
Edgar Wallace,
Familie,
Fuchsberger,
Gottlieb,
Hongkong,
Krimi,
London,
Mord,
Verschwörung
26.3.43
Hangmen Also Die! (Fritz Lang, 1943)
Auch Henker sterben
»Heydrich been shot!« Schüsse auf den Schlächter oder: Ein Mörder wird ermordet. Fritz Lang und Bertolt Brecht, zwei deutsche Emigranten in Hollywood, nehmen das gelungene Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor von Böhmen und Mähren und Chef des Reichssicherheitshauptamtes zum Anlaß, das Wirken zweier gegnerischer Kräfte zu beschreiben, der übermächtigen (vollkommen skrupellos agierenden) großdeutschen Geheimpolizei im besetzten Prag und der hochgradig gefährdeten (dabei allgegenwärtigen) tschechischen Untergrundbewegung. Waltet das eine System als straff durchorganisierter, krakenhafter Apparat, erscheint das andere als ebenso filigranes wie fest geknüpftes Netzwerk, das Stadt und Bevölkerung mycelartig durchdringt. Willkür, Folter und Terror der (verbrecherischen) Macht setzt der (freiheitliche) Widerstand (nicht nur) Ungehorsam, Sabotage und Idealismus entgegen. Eher raffiniert gebautes Spannungsdrama Langscher Prägung als didaktisches Lehrstück im Brechtschen Sinne, stellt »Hangmen Also Die!« bei aller propagandistischen Zustimmung für die Sache der Antifaschisten (»Die if you must, / for a cause that’s just. / But shout to the end: / ›No Surrender!‹«) auch die Frage, ob der (politische) Zweck tatsächlich alle (gewalttätigen) Mittel heilige.
R Fritz Lang B Fritz Lang, Bertolt Brecht, John Wexley K James Wong Howe M Hanns Eisler A William Darling S Gene Fowler Jr. P Fritz Lang, Arnold Pressburger D Brian Donlevy, Walter Brennan, Ann Lee, Gene Lockhart, Alexander Granach | USA | 134 min | 1:1,37 | sw | 26. März 1943
# 1105 | 23. April 2018
»Heydrich been shot!« Schüsse auf den Schlächter oder: Ein Mörder wird ermordet. Fritz Lang und Bertolt Brecht, zwei deutsche Emigranten in Hollywood, nehmen das gelungene Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor von Böhmen und Mähren und Chef des Reichssicherheitshauptamtes zum Anlaß, das Wirken zweier gegnerischer Kräfte zu beschreiben, der übermächtigen (vollkommen skrupellos agierenden) großdeutschen Geheimpolizei im besetzten Prag und der hochgradig gefährdeten (dabei allgegenwärtigen) tschechischen Untergrundbewegung. Waltet das eine System als straff durchorganisierter, krakenhafter Apparat, erscheint das andere als ebenso filigranes wie fest geknüpftes Netzwerk, das Stadt und Bevölkerung mycelartig durchdringt. Willkür, Folter und Terror der (verbrecherischen) Macht setzt der (freiheitliche) Widerstand (nicht nur) Ungehorsam, Sabotage und Idealismus entgegen. Eher raffiniert gebautes Spannungsdrama Langscher Prägung als didaktisches Lehrstück im Brechtschen Sinne, stellt »Hangmen Also Die!« bei aller propagandistischen Zustimmung für die Sache der Antifaschisten (»Die if you must, / for a cause that’s just. / But shout to the end: / ›No Surrender!‹«) auch die Frage, ob der (politische) Zweck tatsächlich alle (gewalttätigen) Mittel heilige.
R Fritz Lang B Fritz Lang, Bertolt Brecht, John Wexley K James Wong Howe M Hanns Eisler A William Darling S Gene Fowler Jr. P Fritz Lang, Arnold Pressburger D Brian Donlevy, Walter Brennan, Ann Lee, Gene Lockhart, Alexander Granach | USA | 134 min | 1:1,37 | sw | 26. März 1943
# 1105 | 23. April 2018
Labels:
Brecht,
Drama,
Geheimdienst,
Lang,
Mord,
Nationalsozialismus,
Paranoia,
Polizei,
Prag,
Thriller,
Verschwörung,
Widerstand,
Zweiter Weltkrieg
22.4.42
Saboteur (Alfred Hitchcock, 1942)
Saboteure
In Kalifornien geht eine Flugzeugfabrik in Flammen auf. Der Rüstungsarbeiter Barry Kane (Robert Cummings) wird (fälschlich) der Sabotage bezichtigt. Um seine Unschuld zu beweisen, geht der Tatverdächtige auf die Jagd nach dem wahren Schuldigen und den Drahtzieher(inne)n des Verbrechens, eine Jagd, die ihn – zunächst gezwungenermaßen, dann aus freien Stücken von einer blonden Plakatschönheit (Priscilla Lane) begleitet – von Küste zu Küste quer durch die Vereinigten Staaten bis nach New York auf die Fackel der Freiheitsstatue führt ... Alfred Hitchcocks Grundthema liefert (in der Tradition von »The 39 Steps«) den Anlaß eines einfallsreichen, dialogwitzigigen Flucht- und Verfolgungsthrillers voller bizarrer Situationen und schillernder Figuren: Kane gerät in eine behagliche Waldhütte und eine Geisterstadt im Mittelwesten, in einen Ballsaal, der zur Falle wird, und ein Kino, wo gleichzeitig auf der Leinwand und im Saal geschossen wird, unterwegs begegnet er einem sehenden Blinden und streitbarem Zirkusvolk, verschlagenen Geldsäcken und korrupten Ordnungshütern. Natürlich betreibt »Saboteur« als filmischer Kriegsbeitrag (höchst unterhaltsame) Propaganda – für Demokratie und Anteilnahme, gegen Totalitarismus und Machtgier –, doch indem Hitchcock allseits geschätzte (Groß-)Bürger als gewissenlose Strippenzieher der fünften Kolonne enttarnt, sät er bleibende Zweifel an der freiheitlichen Verfaßtheit der amerikanischen Gesellschaft.
R Alfred Hitchcock B Peter Viertel, Joan Harrison, Dorothy Parker K Joseph Valentine M Frank Skinner A Jack Otterson S Otto Ludwig P Frank Lloyd D Robert Cummings, Priscilla Lane, Otto Kruger, Norman Lloyd, Alma Kruger | USA | 108 min | 1:1,37 | sw | 22. April 1942
# 1042 | 9. Januar 2017
In Kalifornien geht eine Flugzeugfabrik in Flammen auf. Der Rüstungsarbeiter Barry Kane (Robert Cummings) wird (fälschlich) der Sabotage bezichtigt. Um seine Unschuld zu beweisen, geht der Tatverdächtige auf die Jagd nach dem wahren Schuldigen und den Drahtzieher(inne)n des Verbrechens, eine Jagd, die ihn – zunächst gezwungenermaßen, dann aus freien Stücken von einer blonden Plakatschönheit (Priscilla Lane) begleitet – von Küste zu Küste quer durch die Vereinigten Staaten bis nach New York auf die Fackel der Freiheitsstatue führt ... Alfred Hitchcocks Grundthema liefert (in der Tradition von »The 39 Steps«) den Anlaß eines einfallsreichen, dialogwitzigigen Flucht- und Verfolgungsthrillers voller bizarrer Situationen und schillernder Figuren: Kane gerät in eine behagliche Waldhütte und eine Geisterstadt im Mittelwesten, in einen Ballsaal, der zur Falle wird, und ein Kino, wo gleichzeitig auf der Leinwand und im Saal geschossen wird, unterwegs begegnet er einem sehenden Blinden und streitbarem Zirkusvolk, verschlagenen Geldsäcken und korrupten Ordnungshütern. Natürlich betreibt »Saboteur« als filmischer Kriegsbeitrag (höchst unterhaltsame) Propaganda – für Demokratie und Anteilnahme, gegen Totalitarismus und Machtgier –, doch indem Hitchcock allseits geschätzte (Groß-)Bürger als gewissenlose Strippenzieher der fünften Kolonne enttarnt, sät er bleibende Zweifel an der freiheitlichen Verfaßtheit der amerikanischen Gesellschaft.
R Alfred Hitchcock B Peter Viertel, Joan Harrison, Dorothy Parker K Joseph Valentine M Frank Skinner A Jack Otterson S Otto Ludwig P Frank Lloyd D Robert Cummings, Priscilla Lane, Otto Kruger, Norman Lloyd, Alma Kruger | USA | 108 min | 1:1,37 | sw | 22. April 1942
# 1042 | 9. Januar 2017
Labels:
Hitchcock,
Los Angeles,
Mittelwesten,
Nationalsozialismus,
New York,
Politik,
Polizei,
Romanze,
Sabotage,
Thriller,
Verschwörung
Abonnieren
Posts (Atom)