Der letzte Tycoon
»So how do you want the girl?« – »Perfect.« Harold Pinters Adaption des letzten, unvollendet gebliebenen Romans von F. Scott Fitzgerald, entwirft das Bildnis eines fanatischen Perfektionisten und egomanen Arbeitstiers: Die Figur des Monroe Stahr (Robert De Niro), Produktionschef der International World Films, eines der größten Studios im Hollywood der 1930er Jahre, ist angelehnt an Irving Thalberg, der eine vergleichbare Position bei MGM innehatte. Stahr, Erfinder der hierarchischen Arbeitsteilung im Studiosystem, eingeschworener Gegner des künstlerischen Mitspracherechts für Untergebene, unbeschränkter Herrscher im Atelier wie im Vorführraum, wird in diversen Situationen gezeigt, die schlaglichtartig seine Persönlichkeit beschreiben: wie er einem verunsicherten Star (Tony Curtis) über Potenzprobleme hinweghilft, wie er eine kapriziöse Diva (Jeanne Moreau) umschmeichelt, wie er einen unfähigen Regisseur (Dana Andrews) entläßt, wie er einem frustrierten Autor (Donald Pleasence) das Geheimnis des Kinos erklärt, wie er den skeptischen Studioboß (Robert Mitchum) in Schach hält, wie er betrunken einen radikalen Gewerkschafter (Jack Nicholson) attackiert, wie er eine Frau umgarnt, die ihn an seine verstorbene Gattin erinnert. Stahrs Leidenschaft für die enigmatische Kathleen Moore (Ingrid Boulting) entspricht seiner Obsession für das Medium Film, und wie ein Kinostück arrangiert er denn auch die Affäre mit der geisterhaft wirkenden Schönen, die sich ihm letztendlich entzieht. Elia Kazans sorgfältig-stilbewußte, unterkühlt-langsame Inszenierung der episodisch strukturierten Milieu- und Charakterstudie verfolgt das Schicksal des zwiespältigen Helden bis zu seinem unvermeidlichen Sturz, wobei das Ausmalen (un-)romantischer Stimmungen die Darstellung der in der Filmmetropole waltenden (Produktions-)Verhältnisse immer wieder in den Hintergrund treten läßt. PS: »All writers are children. Fifty percent are drunks. And up till very recently, writers in Hollywood were gag-men; most of them are still gag-men, but we call them writers.«
R Elia Kazan B Harold Pinter V F. Scott Fitzgerald K Victor J. Kemper M Maurice Jarre A Gene Callahan S Richard Marks P Sam Spiegel D Robert De Niro, Ingrid Boulting, Robert Mitchum, Theresa Russell, Ray Milland, Donald Pleasence, Jack Nicholson, Jeanne Moreau, Tony Curtis | USA | 123 min | 1:1,85 | f | 26. August 1976
# 1045 | 16. Februar 2017
Posts mit dem Label Pinter werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Pinter werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
26.8.76
The Last Tycoon (Elia Kazan, 1976)
Labels:
30er Jahre,
Curtis,
De Niro,
Drama,
Film,
Filmstudio,
Kazan,
Los Angeles,
Milland,
Mitchum,
Moreau,
Nicholson,
Pinter,
Pleasence,
Romanze
25.5.71
The Go-Between (Joseph Losey, 1971)
Der Mittler
»The past is a foreign country. They do things differently there.« Das Jahr 1900. Ein Sommer auf dem Lande. Zuerst: Hitze, Geheimnis, Mutmaßung. Dann: Gewitter, Erkenntnis, Ende der Unschuld. Der 12jährige Bürgersohn Leo Colston (Dominic Guard) verbringt die Ferien auf Brandham Hall, dem Anwesen der Familie eines adligen Schulfreunds. Nicht ganz unfreiwillig gerät der Gast in die Liebeshändel zwischen Marian, der schönen (und mit einem sympathischen Viscount verlobten) Tochter des Hauses (divine: Julie Christie), und dem benachbarten Farmer Ted Burgess (down-to-earth: Alan Bates). Leo trägt Briefe hin und her, übermittelt – anfangs eifrig-naiv, später mißtrauisch-widerstrebend – zärtliche Botschaften, deren substantiellen Inhalt er dunkel ahnt, ohne ihn noch benennen zu können. Harold Pinters Drehbuch, die Adaption eines autobiographisch inspirierten Romans von L. P. Hartley, erforscht eine gleichermaßen verlockende wie unwirtliche Welt aus der Perspektive eines Außenseiters, der, als Botschafter über Geschlechter- und Klassengrenzen hinweg, unweigerlich in Loyalitätskonflikte verwickelt wird. Regisseur Joseph Losey, ein in England gestrandeter Midwesterner, beschreibt das einerseits sorglos-luxuriöse, andererseits in Etikette und Ritual befangene Leben der britischen Oberklasse greifbar, anschaulich, lebendig, schafft eine helldunkle, von Michel Legrands neobarockem Klavierscore kongenial verstärkte Atmosphäre von Bedrohung und Glanz, Nervosität und Sehnsucht. Letztlich erweist sich die immer wieder von subtil irritierenden Vorausblenden unterbrochene (Coming-of-age-)Erzählung als Erinnerung an eine Vergangenheit, die (mehr als) ein ganzes Leben düster überschattet hat.
R Joseph Losey B Harold Pinter V L. P. Hartley K Gerry Fisher M Michel Legrand A Carmen Dillon S Reginald Beck P John Heyman, Norman Priggen D Dominic Guard, Julie Christie, Alan Bates, Margaret Leighton, Michael Gough, Edward Fox, Michael Redgrave | UK | 116 min | 1:1,85 | f | 25. Mai 1971
# 1046 | 16. Februar 2017
»The past is a foreign country. They do things differently there.« Das Jahr 1900. Ein Sommer auf dem Lande. Zuerst: Hitze, Geheimnis, Mutmaßung. Dann: Gewitter, Erkenntnis, Ende der Unschuld. Der 12jährige Bürgersohn Leo Colston (Dominic Guard) verbringt die Ferien auf Brandham Hall, dem Anwesen der Familie eines adligen Schulfreunds. Nicht ganz unfreiwillig gerät der Gast in die Liebeshändel zwischen Marian, der schönen (und mit einem sympathischen Viscount verlobten) Tochter des Hauses (divine: Julie Christie), und dem benachbarten Farmer Ted Burgess (down-to-earth: Alan Bates). Leo trägt Briefe hin und her, übermittelt – anfangs eifrig-naiv, später mißtrauisch-widerstrebend – zärtliche Botschaften, deren substantiellen Inhalt er dunkel ahnt, ohne ihn noch benennen zu können. Harold Pinters Drehbuch, die Adaption eines autobiographisch inspirierten Romans von L. P. Hartley, erforscht eine gleichermaßen verlockende wie unwirtliche Welt aus der Perspektive eines Außenseiters, der, als Botschafter über Geschlechter- und Klassengrenzen hinweg, unweigerlich in Loyalitätskonflikte verwickelt wird. Regisseur Joseph Losey, ein in England gestrandeter Midwesterner, beschreibt das einerseits sorglos-luxuriöse, andererseits in Etikette und Ritual befangene Leben der britischen Oberklasse greifbar, anschaulich, lebendig, schafft eine helldunkle, von Michel Legrands neobarockem Klavierscore kongenial verstärkte Atmosphäre von Bedrohung und Glanz, Nervosität und Sehnsucht. Letztlich erweist sich die immer wieder von subtil irritierenden Vorausblenden unterbrochene (Coming-of-age-)Erzählung als Erinnerung an eine Vergangenheit, die (mehr als) ein ganzes Leben düster überschattet hat.
R Joseph Losey B Harold Pinter V L. P. Hartley K Gerry Fisher M Michel Legrand A Carmen Dillon S Reginald Beck P John Heyman, Norman Priggen D Dominic Guard, Julie Christie, Alan Bates, Margaret Leighton, Michael Gough, Edward Fox, Michael Redgrave | UK | 116 min | 1:1,85 | f | 25. Mai 1971
# 1046 | 16. Februar 2017
Labels:
Adel,
Bates,
Drama,
Erinnerung,
Gesellschaft,
Herrenhaus,
Jahrhundertwende,
Julie Christie,
Kindheit,
Losey,
Pinter,
Romanze
6.2.67
Accident (Joseph Losey, 1967)
Accident – Zwischenfall in Oxford
Ein Sonntagnachmittag im Garten. Es ist Sommer. Die Sonne scheint. Rosalind macht ein Nickerchen, Stephen jätet Unkraut, Anna flicht einen Kranz aus Gänseblümchen, Charley erklärt William, wie einfach es ist, einen Roman zu schreiben: »Child’s play. All you need is a starting point. Here for instance.« – »Where?« – »Here, on this lawn. What are we all up to?« Rosalind (Vivien Merchant) ist hochschwanger, ihr introvertierter Ehemann Stephen (Dirk Bogarde), Dozent in Oxford, lechzt nach seiner attraktiven Studentin Anna (Jacqueline Sassard), die mit ihrem blaublütigen Kommilitonen William (Michael York) zusammen ist und mit Stephens großspurigem Kollegen Charley (Stanley Baker) ins Bett geht … Die Emotionen, die dieser spannungsreichen Konstellation innewohnen, werden fast vollständig kaschiert vom jederzeit angemesenen Verhalten der wohlerzogenen Beteiligten, sind zwischen den Zeilen der herausfordernd belanglosen Konversationen (Drehbuch: Harold Pinter) lediglich zu erahnen, entladen sich jedoch schließlich im titelgebenden Unfall, der per se nichts weiter ist als einer der vielen scheinbar zufälligen Umstände, der vermeintlich unbedeutenden Momente, die sich, von Joseph Losey demaskierend präzise inszeniert, in »Accident« zur elliptischen Erzählung reihen. »Philosophy«, erläutert Stephen in einer Tutorenstunde, »is a proces of inquiry only. It doesn’t attempt to find specific answers to specific questions.« Losey und Pinter tun im Grunde nichts anderes: Sie untersuchen an ihren Studienobjekten Phänomene wie Verlangen und Frustration, Ehrgeiz und Entwürdigung, Contenance und Grausamkeit – daß dabei das (nicht gänzlich unironische) Portrait einer Gesellschaft von (hochkultivierten) Zombies entsteht, ist wohl so wenig akzidentiell wie der Crash, mit dem der Film beginnt und endet.
R Joseph Losey B Harold Pinter V Nicholas Mosley K Gerry Fisher M John Dankworth A Carmen Dillon S Reginald Beck P Joseph Losey, Norman Priggen D Dirk Bogarde, Stanley Baker, Jacqueline Sassard, Michael York, Vivien Merchant, Delphine Seyrig | UK | 105 min | 1:1,85 | f | 6. Februar 1967
Ein Sonntagnachmittag im Garten. Es ist Sommer. Die Sonne scheint. Rosalind macht ein Nickerchen, Stephen jätet Unkraut, Anna flicht einen Kranz aus Gänseblümchen, Charley erklärt William, wie einfach es ist, einen Roman zu schreiben: »Child’s play. All you need is a starting point. Here for instance.« – »Where?« – »Here, on this lawn. What are we all up to?« Rosalind (Vivien Merchant) ist hochschwanger, ihr introvertierter Ehemann Stephen (Dirk Bogarde), Dozent in Oxford, lechzt nach seiner attraktiven Studentin Anna (Jacqueline Sassard), die mit ihrem blaublütigen Kommilitonen William (Michael York) zusammen ist und mit Stephens großspurigem Kollegen Charley (Stanley Baker) ins Bett geht … Die Emotionen, die dieser spannungsreichen Konstellation innewohnen, werden fast vollständig kaschiert vom jederzeit angemesenen Verhalten der wohlerzogenen Beteiligten, sind zwischen den Zeilen der herausfordernd belanglosen Konversationen (Drehbuch: Harold Pinter) lediglich zu erahnen, entladen sich jedoch schließlich im titelgebenden Unfall, der per se nichts weiter ist als einer der vielen scheinbar zufälligen Umstände, der vermeintlich unbedeutenden Momente, die sich, von Joseph Losey demaskierend präzise inszeniert, in »Accident« zur elliptischen Erzählung reihen. »Philosophy«, erläutert Stephen in einer Tutorenstunde, »is a proces of inquiry only. It doesn’t attempt to find specific answers to specific questions.« Losey und Pinter tun im Grunde nichts anderes: Sie untersuchen an ihren Studienobjekten Phänomene wie Verlangen und Frustration, Ehrgeiz und Entwürdigung, Contenance und Grausamkeit – daß dabei das (nicht gänzlich unironische) Portrait einer Gesellschaft von (hochkultivierten) Zombies entsteht, ist wohl so wenig akzidentiell wie der Crash, mit dem der Film beginnt und endet.
R Joseph Losey B Harold Pinter V Nicholas Mosley K Gerry Fisher M John Dankworth A Carmen Dillon S Reginald Beck P Joseph Losey, Norman Priggen D Dirk Bogarde, Stanley Baker, Jacqueline Sassard, Michael York, Vivien Merchant, Delphine Seyrig | UK | 105 min | 1:1,85 | f | 6. Februar 1967
Labels:
Baker,
Bogarde,
Drama,
Ehe,
Gesellschaft,
London,
Losey,
Medien,
Oxford,
Pinter,
Romanze,
Seyrig,
Tod,
Universität,
Wissenschaft
10.11.66
The Quiller Memorandum (Michael Anderson, 1966)
Das Quiller-Memorandum – Gefahr aus dem Dunkel
»That’s where you are, Quiller. In the gap.« Surreal angehauchte
Spionagecharade in den Ruinen und Neubauten von (West-)Berlin: Quiller
(ein Mann allein: George Segal) auf der Spur einer konspirativen
Neonazi-Organisation unter der semmelblonden (Reichs-)Führung eines
gewissen ›Oktober‹ (Max von Sydow). Vom modernen Glasturm des
Europa-Centers bis zur verranzten Kreuzberger Absteige, von den
ausgebombten Gründerzeitvillen im Tiergartenviertel bis zu den
Betonbändern der Stadtautobahn nutzt Drehbuchautor Harold Pinter die Halbstadt als
Bühne eines absurden Theaters der Undurchschaubarkeit, des Mißtrauens,
der Verstellung. Michael Andersons unverspielte Inszenierung der sehr
freien Bearbeitung des betont knallharten Agentenromans von Adam Hall
wird insbesondere der spröden Ironie der hintergründigen Pinterschen
Dialoge gerecht. Mit von der geheimnisvollen Partie: Alec Guinness,
erzbritisch und mit einer Vorliebe für Leberwurst, sowie Senta Berger,
jung und schön und weniger unschuldig, als man denken möchte. Dazu ein
melancholisch aufrauschender Soundtrack von John Barry: »I am
wednesday’s child, born to be alone.«
R Michael Anderson B Harold Pinter V Adam Hall (= Elleston Trevor) K Erwin Hiller M John Barry A Maurice Carter S Frederick Wilson P Ivan Foxwell D George Segal, Senta Berger, Alec Guinness, Max von Sydow, George Sanders | UK & USA | 104 min | 1:2,35 | f | 10. November 1966
R Michael Anderson B Harold Pinter V Adam Hall (= Elleston Trevor) K Erwin Hiller M John Barry A Maurice Carter S Frederick Wilson P Ivan Foxwell D George Segal, Senta Berger, Alec Guinness, Max von Sydow, George Sanders | UK & USA | 104 min | 1:2,35 | f | 10. November 1966
Labels:
Berlin,
Geheimdienst,
Guinness,
Michael Anderson,
Nationalsozialismus,
Pinter,
Romanze,
Sanders,
Senta Berger,
Spionage,
Thriller,
von Sydow
9.5.64
The Pumpkin Eater (Jack Clayton, 1964)
Schlafzimmerstreit
Szenen einer Ehe in den Zeiten des Überflusses ... »My life is an empty place.« Diejenige, die das sagt, hat acht (!) Kindern von drei Vätern: Jo Armitage (Anne Bancroft), verheiratet mit Jake (Peter Finch), einem erfolgreichen Drehbuchautor, der jedem Rock hinterherläuft. »The Pumpkin Eater« (der Titel zitiert einen alten englischen Kinderreim: »Peter, Peter, pumpkin eater / Had a wife and couldn't keep her. / He put her in a pumpkin shell / And there he kept her very well«) verfolgt – von Harold Pinter nicht linear nacherzählt, sondern in erhellenden Rück- und Vorausblenden seziert – den Weg eines wohlhabenden Londoner Paares vom ersten Kennenlernen, durch Höhen und Tiefen, bis zur großen Krise (Höhepunkt: Jos theatralischer Nervenzusammenbruch im Kaufhaus Harrods), in der sich (für beide Partner) die Frage von Gehen oder Bleiben stellt. Regisseur Jack Clayton – der zuvor, mit jeweils großer formaler Finesse, eine düstere Sozialstudie und einen schauerromantischen Horrorfilm drehte – inszeniert die Beziehungsgeschichte der krankhaft fruchtbaren Frau und des zwanghaft fremdgängerischen Mannes im Stile eines extravaganten Naturalismus von bisweilen halluzinatorischer Qualität. Die Thematisierung zwischenmenschlicher Entfremdung, die satirische Verzerrung gesellschaftlicher Verhältnisse verraten Einflüsse von Antonioni und Fellini; Oswald Morris’ scharfsichtige Schwarzweißbilder, Georges Delerues elegischer Score, vor allem aber die außerordentlichen Leistungen der Schauspielerinnen und Schauspieler verleihen dieser ebenso originellen wie strapaziösen filmischen Betrachtung von Liebe und Sex, Bindungswunsch und Fluchtreflex, Normen und Neurosen ihre ganz eigentümliche Faszinationskraft.
R Jack Clayton B Harold Pinter V Penelope Mortimer K Oswald Morris M Georges Delerue A Edward Marshall S Jim Clark P James Woolf D Anne Bancroft, Peter Finch, James Mason, Janine Gray, Maggie Smith, Cedric Hardwicke | UK | 110 min | 1:1,85 | sw | 9. Mai 1964
# 1047 | 16. Februar 2017
Szenen einer Ehe in den Zeiten des Überflusses ... »My life is an empty place.« Diejenige, die das sagt, hat acht (!) Kindern von drei Vätern: Jo Armitage (Anne Bancroft), verheiratet mit Jake (Peter Finch), einem erfolgreichen Drehbuchautor, der jedem Rock hinterherläuft. »The Pumpkin Eater« (der Titel zitiert einen alten englischen Kinderreim: »Peter, Peter, pumpkin eater / Had a wife and couldn't keep her. / He put her in a pumpkin shell / And there he kept her very well«) verfolgt – von Harold Pinter nicht linear nacherzählt, sondern in erhellenden Rück- und Vorausblenden seziert – den Weg eines wohlhabenden Londoner Paares vom ersten Kennenlernen, durch Höhen und Tiefen, bis zur großen Krise (Höhepunkt: Jos theatralischer Nervenzusammenbruch im Kaufhaus Harrods), in der sich (für beide Partner) die Frage von Gehen oder Bleiben stellt. Regisseur Jack Clayton – der zuvor, mit jeweils großer formaler Finesse, eine düstere Sozialstudie und einen schauerromantischen Horrorfilm drehte – inszeniert die Beziehungsgeschichte der krankhaft fruchtbaren Frau und des zwanghaft fremdgängerischen Mannes im Stile eines extravaganten Naturalismus von bisweilen halluzinatorischer Qualität. Die Thematisierung zwischenmenschlicher Entfremdung, die satirische Verzerrung gesellschaftlicher Verhältnisse verraten Einflüsse von Antonioni und Fellini; Oswald Morris’ scharfsichtige Schwarzweißbilder, Georges Delerues elegischer Score, vor allem aber die außerordentlichen Leistungen der Schauspielerinnen und Schauspieler verleihen dieser ebenso originellen wie strapaziösen filmischen Betrachtung von Liebe und Sex, Bindungswunsch und Fluchtreflex, Normen und Neurosen ihre ganz eigentümliche Faszinationskraft.
R Jack Clayton B Harold Pinter V Penelope Mortimer K Oswald Morris M Georges Delerue A Edward Marshall S Jim Clark P James Woolf D Anne Bancroft, Peter Finch, James Mason, Janine Gray, Maggie Smith, Cedric Hardwicke | UK | 110 min | 1:1,85 | sw | 9. Mai 1964
# 1047 | 16. Februar 2017
3.9.63
The Servant (Joseph Losey, 1963)
Der Diener
Der reiche Schnösel Tony (James Fox) bezieht ein Haus in schicker Londoner Gegend und engagiert den Diener Barrett (Dirk Bogarde) zur persönlichen Rundumversorgung: »I need everything«, gibt der junge Herr dem dienstbaren Geist im Einstellungsgespräch offenherzig zu verstehen – wobei schon in dieser ersten Szene des Films die Frage im Raum steht, wer sich hier eigentlich wen aussucht. Mit formvollendeter Servilität und ausgekochter Resolutheit – sowie unter wohlbedachtem Einsatz des triebhaft-erbötigen Flittchens Vera (Sarah Miles) – übernimmt der Untergebene peu à peu das Regiment im Heim und im Leben des Hausherrn. Tonys mißtrauische (= eifersüchtige) Verlobte Susan (Wendy Craig), von Barrett souverän ins Aus manövriert, stellt ihm die entscheidende Frage: »What do you want from this house?« Die heimtückisch-devote Antwort: »I'm the servant, Miss.« … Zuvörderst läßt sich »The Servant« als Allegorie des Klassenkampfes lesen: Tony als Symbol der dekadenten upper crust, Barrett als Personifikation der dynamischen Unterschicht. Jenseits gesellschaftswissenschaftlicher Veranschaulichung setzen Regisseur Joseph Losey und Drehbuchautor Harold Pinter zudem ein ironisch-ausgeklügeltes Machtspiel in Szene, ein explosiv-doppelbödiges Beziehungsballett um Dominanz und Unterwerfung. Dann ist da die boshaft-klaustrophobische Travestie einer Ehegeschichte: Tony und Barrett als Paar, das sich gesucht und gefunden hat, das sich bis zur letzten Konsequenz pervers-perfekt ergänzt. Und schließlich läuft ein tiefenscharf-neoexpressionistischer (Kamera: Douglas Slocombe) Psycho-Horror-Streifen ab: Barrett als Vampir, der sich von Tonys Lebensenergie nährt, der ihn aussaugt, bis lediglich die leere Hülle bleibt, die der feine Pinkel von vorneherein nur war.
R Joseph Losey B Harold Pinter V Robin Maugham K Douglas Slocombe M John Dankworth A Richard Macdonald S Reginald Mills P Joseph Losey, Norman Priggen D Dirk Bogarde, James Fox, Sarah Miles, Wendy Craig | UK | 112 min | 1:1,66 | sw | 3. September 1963
Der reiche Schnösel Tony (James Fox) bezieht ein Haus in schicker Londoner Gegend und engagiert den Diener Barrett (Dirk Bogarde) zur persönlichen Rundumversorgung: »I need everything«, gibt der junge Herr dem dienstbaren Geist im Einstellungsgespräch offenherzig zu verstehen – wobei schon in dieser ersten Szene des Films die Frage im Raum steht, wer sich hier eigentlich wen aussucht. Mit formvollendeter Servilität und ausgekochter Resolutheit – sowie unter wohlbedachtem Einsatz des triebhaft-erbötigen Flittchens Vera (Sarah Miles) – übernimmt der Untergebene peu à peu das Regiment im Heim und im Leben des Hausherrn. Tonys mißtrauische (= eifersüchtige) Verlobte Susan (Wendy Craig), von Barrett souverän ins Aus manövriert, stellt ihm die entscheidende Frage: »What do you want from this house?« Die heimtückisch-devote Antwort: »I'm the servant, Miss.« … Zuvörderst läßt sich »The Servant« als Allegorie des Klassenkampfes lesen: Tony als Symbol der dekadenten upper crust, Barrett als Personifikation der dynamischen Unterschicht. Jenseits gesellschaftswissenschaftlicher Veranschaulichung setzen Regisseur Joseph Losey und Drehbuchautor Harold Pinter zudem ein ironisch-ausgeklügeltes Machtspiel in Szene, ein explosiv-doppelbödiges Beziehungsballett um Dominanz und Unterwerfung. Dann ist da die boshaft-klaustrophobische Travestie einer Ehegeschichte: Tony und Barrett als Paar, das sich gesucht und gefunden hat, das sich bis zur letzten Konsequenz pervers-perfekt ergänzt. Und schließlich läuft ein tiefenscharf-neoexpressionistischer (Kamera: Douglas Slocombe) Psycho-Horror-Streifen ab: Barrett als Vampir, der sich von Tonys Lebensenergie nährt, der ihn aussaugt, bis lediglich die leere Hülle bleibt, die der feine Pinkel von vorneherein nur war.
R Joseph Losey B Harold Pinter V Robin Maugham K Douglas Slocombe M John Dankworth A Richard Macdonald S Reginald Mills P Joseph Losey, Norman Priggen D Dirk Bogarde, James Fox, Sarah Miles, Wendy Craig | UK | 112 min | 1:1,66 | sw | 3. September 1963
Labels:
Bogarde,
Drama,
Gesellschaft,
London,
Losey,
Pinter,
Satire,
Stadtpalais,
Tragikomödie
Abonnieren
Posts (Atom)