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6.2.67

Accident (Joseph Losey, 1967)

Accident – Zwischenfall in Oxford

Ein Sonntagnachmittag im Garten. Es ist Sommer. Die Sonne scheint. Rosalind macht ein Nickerchen, Stephen jätet Unkraut, Anna flicht einen Kranz aus Gänseblümchen, Charley erklärt William, wie einfach es ist, einen Roman zu schreiben: »Child’s play. All you need is a starting point. Here for instance.« – »Where?« – »Here, on this lawn. What are we all up to?« Rosalind (Vivien Merchant) ist hochschwanger, ihr introvertierter Ehemann Stephen (Dirk Bogarde), Dozent in Oxford, lechzt nach seiner attraktiven Studentin Anna (Jacqueline Sassard), die mit ihrem blaublütigen Kommilitonen William (Michael York) zusammen ist und mit Stephens großspurigem Kollegen Charley (Stanley Baker) ins Bett geht … Die Emotionen, die dieser spannungsreichen Konstellation innewohnen, werden fast vollständig kaschiert vom jederzeit angemesenen Verhalten der wohlerzogenen Beteiligten, sind zwischen den Zeilen der herausfordernd belanglosen Konversationen (Drehbuch: Harold Pinter) lediglich zu erahnen, entladen sich jedoch schließlich im titelgebenden Unfall, der per se nichts weiter ist als einer der vielen scheinbar zufälligen Umstände, der vermeintlich unbedeutenden Momente, die sich, von Joseph Losey demaskierend präzise inszeniert, in »Accident« zur elliptischen Erzählung reihen. »Philosophy«, erläutert Stephen in einer Tutorenstunde, »is a proces of inquiry only. It doesn’t attempt to find specific answers to specific questions.« Losey und Pinter tun im Grunde nichts anderes: Sie untersuchen an ihren Studienobjekten Phänomene wie Verlangen und Frustration, Ehrgeiz und Entwürdigung, Contenance und Grausamkeit – daß dabei das (nicht gänzlich unironische) Portrait einer Gesellschaft von (hochkultivierten) Zombies entsteht, ist wohl so wenig akzidentiell wie der Crash, mit dem der Film beginnt und endet.

R Joseph Losey B Harold Pinter V Nicholas Mosley K Gerry Fisher M John Dankworth A Carmen Dillon S Reginald Beck P Joseph Losey, Norman Priggen D Dirk Bogarde, Stanley Baker, Jacqueline Sassard, Michael York, Vivien Merchant, Delphine Seyrig | UK | 105 min | 1:1,85 | f | 6. Februar 1967

13.9.60

The Criminal (Joseph Losey, 1960)

Die Spur führt ins Nichts 

»All my sadness, all my joy / Came from loving a thieving boy.« First-rate B-movie über den Ganoven Johnny Bannion (Stanley Baker), der im Knast eine große Nummer ist, aber nach seiner Entlassung erfahren muß, daß sich die Dinge geändert haben. Individualistisches Mackertum (»He’s a dazzling wonder«, heißt es einmal über den reizbaren (Anti-)Helden) ist nicht mehr gefragt: »With us it’s a team. It’s business, and your sort doesn’t fit into an organisation.« Joseph Losey kümmert sich nur sehr am Rande um das Erzählen einer stringenten Story – vieles hängt in der Luft, manches bleibt im Dunkeln, der zentrale Überfall, um den sich alles dreht, wird gar nicht erst gezeigt –, immer wieder verschiebt er die Betonung, weg von der Handlungsmotorik, hin zu den entscheidenden Momenten zwischen dem äußeren Geschehen. Akustisch und optisch forciert von John Dankworth’ lyrisch-nervösem Jazz-Score und Robert Kraskers kontrastreicher Schwarzweiß-Fotografie, verwandelt »The Criminal« die Genre-Elemente in eine rhythmische Etüde über den Einzelnen und das Kollektiv, über Vertrauen und Verrat, über die Welt als Gefängnis.

R Joseph Losey B Alun Owen K Robert Krasker M John Dankworth A Richard Macdonald S Reginald Mills P Jack Greenwood D Stanley Baker, Sam Wanamaker, Grégoire Aslan, Margit Saad, Patrick Magee | UK | 97 min | 1:1,66 | sw | 13. September 1960

20.8.59

Blind Date (Joseph Losey, 1959)

Die tödliche Falle 

»We are having a party / Myself and I.« Fröhlich eilt der arme Schlucker Jan van Rooyer (Hardy Krüger) quer durch London zum Rendezvous mit seiner Geliebten. Als er ihr Apartment betritt, ist die Heißbegehrte noch nicht da. Statt ihrer erscheint die Polizei. Im Nebenzimmer wird die Leiche der Wohnungsbesitzerin gefunden. Jan bricht fassungslos zusammen und steht unter dringendem Verdacht, seine reiche Freundin mit einem Kissen erstickt zu haben … Joseph Loseys ambitionierter Versuch, aus billigem Whodunit-Stoff filmische Haute-Couture zu schneidern, gelingt insofern erstaunlich gut, als er die unlogische Intrige fast vollständig ignoriert, sich stattdessen auf die Charakterisierung der drei Prota­gonisten konzentriert: Jan, zorniger junger Künstler, idealistisch und impulsiv; Jacqueline (Micheline Presle), das Opfer (?), klassische Schönheit, glühend erkaltet an der Seite eines einflußreichen Mannes; Inspector Morgan (Stanley Baker), störrisch-brillanter Kriminalist, gesnobt von seinen gesellschaftlich gutvernetzten Kollegen – ein Holländer, eine Französin, ein Waliser, allesamt und jeder für sich gestrandet in einer fremden Umgebung, auf Grund gelaufen in ihrem Leben, gefangengesetzt in der eigenen Existenz. Losey entwickelt aus diesem Dreieck eine facettenreiche, visuell exakt durchkomponierte Studie der Einsamkeit, die Topographie einer Welt ohne wirkliche Nähe, ohne tiefe Berührung, ohne verstehenden Blick. Nicht von ungefähr ist »Blind (!) Date« ein Film der Spiegel – das reflektierende Glas wird zum bildlichen Ausdruck der gebrochenen Kommunikation zwischen den entzwei geschlagenen Menschen.

R Joseph Losey B Ben Barzman, Millard Lampell V Leigh Howard K Christopher Challis M Richard Rodney Bennett A Harry Pottle S Reginald Mills P David Deutsch D Hardy Krüger, Stanley Baker, Micheline Presle, Gordon Jackson, John Van Eyssen | UK | 95 min | 1:1,66 | sw | 20. August 1959