Montparnasse 19
Porträt des Künstlers als armer Schlucker: »Montparnasse 19« verdichtet und überhöht (man könnte auch sagen: überzeichnet und verdunkelt) Ereignisse aus den letzten Jahren des Malers Amedeo Modigliani zum bitteren Schlußkapitel eines Lebens zwischen Inspiration und Mißerfolg, zwischen Genie und Untergang. Jacques Becker (der das Projekt vom verstorbenen Max Ophüls übernahm) verzichtet fast völlig auf stimmungsvolle Genreszenen aus der Pariser Bohème, konzentriert sich ganz auf den Abwärtsweg seines Protagonisten im Jahr 1919. Modigliani erscheint, trotz seiner persönlichen Tragödie, nicht als Sympathieträger: Er ist ein Ausbund an Selbstmitleid und Getriebensein, an Reizbarkeit und Besessenheit, er säuft wie ein Loch, er schlägt Frauen, er stößt alle Welt vor den Kopf. Gérard Philipe (der wenig später im selben jungen Alter wie Modigliani sterben wird) spielt den schwierigen Künstler hin- und hergerissen zwischen Kälte und Glut, spielt mal wie längst schon tot, mal wie geladen mit unzerstörbarer Energie. Im seinem Spannungsfeld: Lilli Palmer als spöttisch-distanzierte Journalistin; Anouk Aimée, als innig-ergebene Kunststudentin – zwei Liebende, jede auf ihre eigene hilflose Art. Im schwarzen Herz der Erzählung spukt Monsieur Morel, marchand de tableaux – Lino Ventura hat nur wenige Auftritte: ganz am Anfang, kurz im Hintergrund einer tristen Kaffeehaus-Szene, dann wieder, man hatte ihn schon vergessen, anläßlich einer erfolglosen Ausstellung des Malers, schließlich am Ende: Morel, Kenner und Geier, bringt mit dem Tod die Bestätigung des Talents, er kommt als nachträglicher Entdecker und als Teufel, der die Kunst zur profitablen Ware macht … Ein grausamer Film, melodramatisch und spröde, ungerührt und intensiv, ein Film ohne Rettung, ohne Gnade.
R Jacques Becker B Jacques Becker, Max Ophüls V Michel-Georges Michel K Christian Matras M Pauls Misraki A Jean d’Eaubonne S Marguerite Renoir P Henry Deutschmeister D Gérard Philipe, Anouk Aimée, Lilli Palmer, Gérard Séty, Lino Ventura | F & I | 108 min | 1:1,66 | sw | 4. April 1958
# 812 | 8. Dezember 2013
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