Ein Brief, der nicht abging
Der Mensch und die Natur – eine elementare Untersuchung … Drei Geologen und ihr Führer suchen in Sibirien nach Diamanten. Sie werden fündig. Dann brennt der Wald. Dann bricht eine Sintflut herein. Dann kommt der Winter. Der Schnee. Das Eis … Noch stärker als im Vorgängerfilm »Letjat schurawli« gerät die Handlung aus dem Fokus von Michail Kalatosows Interesse. Das erste Bild, gesehen aus einem sich entfernenden Helikopter, rückt die Proportionen zurecht: Vier Menschen stehen im flachen Uferwasser eines Flusses, winken zum Abschied, werden immer kleiner, bis sie nur noch winzige Punkte in überwältigender Landschaft sind. Auch wenn die expressive Kamera (wiederum brillant: Sergei Urussewski) die Protagonisten immer wieder in Nah- und Nächstaufnahme betrachtet, auch wenn (Inter-)Aktionen Rückschlüsse auf charakterliche Eigenschaften zulassen, bleibt die Psychologie der Figuren ohne Relevanz. Die Natur kümmert sich schließlich auch nicht darum. Was zählt, ist die physische Fähigkeit, dem Ansturm der Elemente zu trotzen. Wasser, Erde, Feuer und Luft sind die wahren Akteure des Films. So wie die Natur den Menschen zum (überraschend widerstandsfähigen aber letztlich hilflosen) Spielball ihrer Gewalten macht, reduziert »Neotprawlennoje pismo« die Figuren auf Anschauungsobjekte im Rahmen einer (visuell überwältigenden) Forschungsreise durch das Wirken ungezähmter Kräfte. Das Schlußbild des Films wiederholt bilanzierend den Anfang: Der Letzte der vier, die aufgebrochen sind, liegt wie tot auf einer Eisscholle; über ihm kreist ein Rettungshubschrauber – und wieder entfernt sich die Kamera, bis das menschliche Treiben zum Nichts in immenser Weite schwindet.
R Michail Kalatosow B Waleri Ossipow, Grigori Koltunow, Wiktor Rosow V Waleri Ossipow K Sergei Urussewski M Nikolai Krjukow A David Winitski S N. Anikina P Mosfilm D Tatjana Samoilowa, Jewgeni Urbanski, Innokenti Smoktunowski, Wassili Liwanow, Galina Koschakina | SU | 97 min | 1:1,37 | sw | 4. Mai 1960
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