Nickelodeon
»We’re going to make pictures.« Eine sepiagetönte Vergnügungsreise in die Jugendzeit des Kinos: Leo Harrigan (Ryan O’Neal), als Anwalt keine große Leuchte, heuert im Jahre 1910 als Autor und Regisseur (»Any jerk can direct.«) bei einem unabhängigen Produzenten an, der mehr oder weniger erfolgreich gegen Edisons übermächtigen Patent-Trust anfilmt … Peter Bogdanovich erzählt Leos wechselvolle Karriere sowie die rasante Entwicklung vom frühen Einakter-Kintopp bis zum Anbruch einer Epoche von kinematographischen Großereignissen à la »The Birth of a Nation« als launig-nostalgische Slapstick-Komödie voll handfester Romantik und possenhafter Abenteuer: Die musikalische Klavier-(und Mundharmonika-)Untermalung erinnert an beschwingte Stummfilmbegleitung; der bunt zusammengewürfelte Haufen der Filmschaffenden (darunter Burt Reynolds, Tatum O’Neal und John Ritter) gleicht eher fröhlichem Zirkusvolk als cineastischen Fachleuten (»Who wants to be respactable anyway?«); Hauptdarsteller O’Neal, ausgestattet mit Hut und runder Brille, wirkt wie ein Wiedergänger von Harold Lloyd. »A pratfall is better than anything«, wußte Preston Sturges, und Bogdanovich hält sich, vielleicht allzu strikt, an die Empfehlung des legendären Komödiengenies. Doch bei aller klamottigen Schablonenhaftigkeit stolpert »Nickelodeon« immer wieder in Situationen von burlesker Poesie, so etwa wenn ein umherirrender Heißluftballon, von der Kamera wild verfolgt, zufällig auf dem Dach eines Eisenbahnwaggons landet und das Luftschifferpaar, vom begeisterten Regisseur angefeuert, in eine zärtliche Umarmung sinkt: »Perfect! Hold it a little longer. Slow iris to black. And cease. Cut. That’s it.«
R Peter Bogdanovich B Peter Bogdanovich, W. D. Richter K Laszlo Kovacs M Richard Hazard A Richard Berger S William Carruth P Robert Cartoff, Irwin Winkler D Ryan O’Neal, Burt Reynolds, Tatum O’Neal, Brian Keith, Stella Stevens, John Ritter | USA & UK | 121 min | 1:1,85 | f | 21. Dezember 1976
# 969 | 8. September 2015
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21.12.76
4.3.76
Im Lauf der Zeit (Wim Wenders, 1976)
Eine spröde Männerfreundschaft in Schwarzweiß, Breitwand 1:1,66 und Originalton, eine Elegie auf das Sterben der Kinos (mit einem Seitenblick auf den Dämmerschlaf der Provinzzeitungen), eine Lastwagenreise entlang der deutsch-deutschen Grenze (mit einem Motorradabstecher an den Rhein), ein Roadmovie … Ohne, wie im grüblerischen Vorgängerfilm, Rekurs auf die Hochkultur zu nehmen, schauen Wim Wenders und sein Kameramann Robby Müller mit befreiter Offenheit auf das kleine geteilte Land, betrachten es wie einen unbekannten Kontinent; von der Elbe bis nach Oberfranken begleiten sie zwei Drifter, die zufällig aufeinandertreffen und, aus der Laune des Augenblicks heraus, eine Zeitlang zusammenbleiben: Bruno (»King of the Road«: Rüdiger Vogler) fährt mit seinem umgebauten Möbeltransporter durchs Zonenrandgebiet und repariert alte Filmprojektoren, Robert (»Kamikaze«: Hanns Zischler) hat seine Frau verlassen und läßt sich durch den Sommer treiben. Es wird nur wenig gesprochen, gelesen, Musik gehört, es wird gekackt, gepißt, gewichst, und langsam, ganz langsam gewinnen die Protagonisten schemenhafte Konturen; Lebensgeschichten sind zu erahnen, Sehnsüchte und Ängste werden spürbar, Konflikte brechen auf. So entwickelt sich, in nur von der Straße miteinander verbundenen Episoden, ein Versuch über die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des Alleinseins, über fremde Väter und abhandene Frauen, über schweifende Fluchten und die amerikanische Kolonisierung des Unterbewußtsein – für die Wenders elegante Beispiele liefert, wenn er Nicholas Ray und John Ford zitiert, wenn er deutsche Orte zeigt, wie von Walker Evans fotografiert. Die lakonische Heimat- und Nabelschau endet angemessen unbestimmt: »Es muß alles ganz anders werden.«
R Wim Wenders B Wim Wenders K Robby Müller M Improved Sound Limited A Heidi Lüdi S Peter Przygodda P Wim Wenders D Rüdiger Vogler, Hanns Zischler, Lisa Kreuzer, Marquard Bohm, Rudolf Schündler | BRD | 175 min | 1:1,66 | sw | 4. März 1976
# 1033 | 28. November 2016
R Wim Wenders B Wim Wenders K Robby Müller M Improved Sound Limited A Heidi Lüdi S Peter Przygodda P Wim Wenders D Rüdiger Vogler, Hanns Zischler, Lisa Kreuzer, Marquard Bohm, Rudolf Schündler | BRD | 175 min | 1:1,66 | sw | 4. März 1976
# 1033 | 28. November 2016
3.10.71
The Last Picture Show (Peter Bogdanovich, 1971)
Die letzte Vorstellung
»When old age shall this generation waste …« Der Ort: ein abgelegenes Nest in Texas. Die Zeit: 1951/52. Schon die erste Einstellung, ein langsamer Schwenk über die main street von Anarene, verbreitet Abschiedsschmerz – und das bleierne Gefühl des Leerlaufs: So vergeblich wie die Bemühung des einfältigen Billy, im ewigen Wind den ewigen Staub von der Straße zu fegen, mutet das Leben und Trachten aller Bewohner der Kleinstadt an. Jugendliche Träume spiegeln sich düster in der Desillusion der Erwachsenen: Die großen Erwartungen von Jacy (Cybill Shepherd als engelhaftes Biest), von Duane (Jeff Bridges als grüner Heißsporn), von Sonny (Timothy Bottoms als stilles Wasser) sprießen in einer Atmosphäre seelischer Beklemmung, verpaßter Gelegenheiten, sexueller Frustration. Und dann wird mit Sam the Lion (Ben Johnson), dem knorrig-wortkargen Betreiber des Cafés, der pool hall und des einzigen Kinos, auch noch der gute Geist, die moralische Instanz des tristen Fleckens zu Grabe getragen … Peter Bogdanovich entfaltet sein meisterliches Sittenbild in strengen, fast asketischen Schwarzweiß-Bildern (Kamera: Robert Surtees), wobei er das Geschehen mittels eleganter erzählerischer Ellipsen rafft und die spröde Stimmung des Provinz-Panoramas durch ausschließliche Verwendung von zeitgenössischer source music (Hank Williams, Eddie Fisher, Tony Bennett im Autoradio oder vom Plattenspieler) intensiviert. Vieles geht zu Ende in »The Last Picture Show«: die Schulzeit, das Jungsein, die Unbedarftheit. Auch das Kino muß schließen. In der letzten Vorstellung des ›Royal Theater‹ sehen Duane und Sonny einen Western von Howard Hawks. »Red River« zeigt Herausforderungen und Konflikte, einen Aufbruch und die Versöhnung der Generationen: »Well, that was a good movie.« – »Yeah, seen it here before once.«
R Peter Bogdanovich B Larry McMurtry, Peter Bogdanovich V Larry McMurtry K Robert Surtees M diverse A Polly Platt S Donn Cambern P Stephen J. Friedman D Timothy Bottoms, Cybill Shepherd, Jeff Bridges, Ben Johnson, Cloris Leachman, Ellen Burstyn, Eileen Brennan | USA | 127 min | 1:1,85 | sw | 3. Oktober 1971
# 962 | 10. Juli 2015
»When old age shall this generation waste …« Der Ort: ein abgelegenes Nest in Texas. Die Zeit: 1951/52. Schon die erste Einstellung, ein langsamer Schwenk über die main street von Anarene, verbreitet Abschiedsschmerz – und das bleierne Gefühl des Leerlaufs: So vergeblich wie die Bemühung des einfältigen Billy, im ewigen Wind den ewigen Staub von der Straße zu fegen, mutet das Leben und Trachten aller Bewohner der Kleinstadt an. Jugendliche Träume spiegeln sich düster in der Desillusion der Erwachsenen: Die großen Erwartungen von Jacy (Cybill Shepherd als engelhaftes Biest), von Duane (Jeff Bridges als grüner Heißsporn), von Sonny (Timothy Bottoms als stilles Wasser) sprießen in einer Atmosphäre seelischer Beklemmung, verpaßter Gelegenheiten, sexueller Frustration. Und dann wird mit Sam the Lion (Ben Johnson), dem knorrig-wortkargen Betreiber des Cafés, der pool hall und des einzigen Kinos, auch noch der gute Geist, die moralische Instanz des tristen Fleckens zu Grabe getragen … Peter Bogdanovich entfaltet sein meisterliches Sittenbild in strengen, fast asketischen Schwarzweiß-Bildern (Kamera: Robert Surtees), wobei er das Geschehen mittels eleganter erzählerischer Ellipsen rafft und die spröde Stimmung des Provinz-Panoramas durch ausschließliche Verwendung von zeitgenössischer source music (Hank Williams, Eddie Fisher, Tony Bennett im Autoradio oder vom Plattenspieler) intensiviert. Vieles geht zu Ende in »The Last Picture Show«: die Schulzeit, das Jungsein, die Unbedarftheit. Auch das Kino muß schließen. In der letzten Vorstellung des ›Royal Theater‹ sehen Duane und Sonny einen Western von Howard Hawks. »Red River« zeigt Herausforderungen und Konflikte, einen Aufbruch und die Versöhnung der Generationen: »Well, that was a good movie.« – »Yeah, seen it here before once.«
R Peter Bogdanovich B Larry McMurtry, Peter Bogdanovich V Larry McMurtry K Robert Surtees M diverse A Polly Platt S Donn Cambern P Stephen J. Friedman D Timothy Bottoms, Cybill Shepherd, Jeff Bridges, Ben Johnson, Cloris Leachman, Ellen Burstyn, Eileen Brennan | USA | 127 min | 1:1,85 | sw | 3. Oktober 1971
# 962 | 10. Juli 2015
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Freundschaft,
Gesellschaft,
Jugend,
Kino,
Kleinstadt,
Nachkrieg,
Romanze,
Schule,
Texas
15.8.68
Targets (Peter Bogdanovich, 1968)
Bewegliche Ziele
»My kind of horror isn’t horror anymore.« Schauspieler Byron Orlok (Boris Karloff), Veteran des klassischen Horrorkinos, Verkörperung des alten Hollywood, will sich zur Ruhe setzen (»I’m an antique, out of date.«); der junge Bobby Thompson (Tim O’Kelly), ein archetypischer boy next door wird zum schießenden Massenmörder (»I know they’ll get me. But before that many more will die.«) Mittels einer ingeniösen Verschränkung der beiden Erzählstränge reflektiert film buff und Nachwuchsregisseur Peter Bogdanovich (der den film buff und Nachwuchsregisseur Sammy Michaels spielt) sowohl die Wechselbeziehung von kinematographischer und gesellschaftlicher Realität wie auch die politischen und kulturellen Umbrüche im Amerika der 1960er Jahre. Gedreht mit kleinem Budget und weitgehend an Originalschauplätzen in Los Angeles (»What an ugly town this has become«, stellt der betagte Star fest), erscheint »Targets« als melancholischer Abgesang auf den von der (Alp-)Traumfabrik produzierten wohlig-viktorianischen Grusel. Orlok steht für diese vergangene Welt, in der selbst der Schrecken noch seine Ordnung hatte, während Bobbys kalte Raserei (die an einen tatsächlichen Fall aus dem Jahr 1966 angelehnt ist) die zunehmend unverständliche Gegenwart repräsentiert, in der blutiger Schrecken einer vermeintlich festgefügten Norman-Rockwell-Idylle entspringt. Bevor Orlok endgültig in Rente geht, präsentiert er seinen letzten Film »The Terror« in einem drive-in theater, genau dort, wo Bobby sich am Ende seines Amoklaufs hinter der Leinwand verschanzt: Die Ungeheuer des Kinos und die Monster der Wirklichkeit treten einander Auge in Auge gegenüber.
R Peter Bogdanovich B Peter Bogdanovich, Polly Platt K Laszlo Kovacs A Polly Platt S Peter Bogdanovich P Peter Bogdanovich D Boris Karloff, Tim O’Kelly, Peter Bogdanovich, Nancy Hsueh, Arthur Peterson | USA | 90 min | 1:1,85 | f | 15. August 1968
# 961 | 10. Juli 2015
»My kind of horror isn’t horror anymore.« Schauspieler Byron Orlok (Boris Karloff), Veteran des klassischen Horrorkinos, Verkörperung des alten Hollywood, will sich zur Ruhe setzen (»I’m an antique, out of date.«); der junge Bobby Thompson (Tim O’Kelly), ein archetypischer boy next door wird zum schießenden Massenmörder (»I know they’ll get me. But before that many more will die.«) Mittels einer ingeniösen Verschränkung der beiden Erzählstränge reflektiert film buff und Nachwuchsregisseur Peter Bogdanovich (der den film buff und Nachwuchsregisseur Sammy Michaels spielt) sowohl die Wechselbeziehung von kinematographischer und gesellschaftlicher Realität wie auch die politischen und kulturellen Umbrüche im Amerika der 1960er Jahre. Gedreht mit kleinem Budget und weitgehend an Originalschauplätzen in Los Angeles (»What an ugly town this has become«, stellt der betagte Star fest), erscheint »Targets« als melancholischer Abgesang auf den von der (Alp-)Traumfabrik produzierten wohlig-viktorianischen Grusel. Orlok steht für diese vergangene Welt, in der selbst der Schrecken noch seine Ordnung hatte, während Bobbys kalte Raserei (die an einen tatsächlichen Fall aus dem Jahr 1966 angelehnt ist) die zunehmend unverständliche Gegenwart repräsentiert, in der blutiger Schrecken einer vermeintlich festgefügten Norman-Rockwell-Idylle entspringt. Bevor Orlok endgültig in Rente geht, präsentiert er seinen letzten Film »The Terror« in einem drive-in theater, genau dort, wo Bobby sich am Ende seines Amoklaufs hinter der Leinwand verschanzt: Die Ungeheuer des Kinos und die Monster der Wirklichkeit treten einander Auge in Auge gegenüber.
R Peter Bogdanovich B Peter Bogdanovich, Polly Platt K Laszlo Kovacs A Polly Platt S Peter Bogdanovich P Peter Bogdanovich D Boris Karloff, Tim O’Kelly, Peter Bogdanovich, Nancy Hsueh, Arthur Peterson | USA | 90 min | 1:1,85 | f | 15. August 1968
# 961 | 10. Juli 2015
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Serienmörder,
Thriller
9.4.57
The Smallest Show on Earth (Basil Dearden, 1957)
Die kleinste Schau der Welt
»Well, I’m sure there is a business like show business, but somehow I don’t think this is it.« Wer träumte nicht von einer Erbschaft aus heiterem Himmel? Dem jungen Schriftsteller Matt Spencer fällt dieses unverhoffte Glück in den Schoß. Zusammen mit seiner Ehefrau Jean reist er nach Sloughborough, um die Hinterlassenschaft des unbekannten Großonkels in Augenschein zu nehmen: ein Kino. Dabei handelt es sich allerdings nicht, wie kurz zu vermuten steht, um den ultramodernen Filmpalast ›The Grand‹ sondern um das gegenüberliegende, vormals ehrwürdige ›Bijou Kinema‹ – am Ort auch als »the flea pit« bekannt. Zwischen zwei vielbefahrene Bahnstrecken gezwängt, atmet der marode Kintopp die schwülstig-staubige Atmosphäre längst vergangener Stummfilmzeiten. Als einzige Chance, Geld zu erlösen, erscheint der Verkauf an den überheblichen Besitzer des ›Grand‹, der das ›Bijou‹ abreißen will, um das Terrain als Parkplatz zu nutzen … Regisseur Basil Dearden, lange Jahre für die Ealing-Studios tätig, knüpft, zusammen mit Autor William Rose (der unter anderem »The Ladykillers« schrieb), an die spezifische Komödientradition des Hauses an: ein Zusammenstoß von Klein (bzw. Alt) und Groß (bzw. Neu), ein pittoreskes Setting, kuriose Situationen und – most of all: spleenige Typen. Tatsächlich ist es vorrangig das skurrile Personal des ererbten Kinos, das den großen Reiz der »Smallest Show on Earth« ausmacht: die kauzige Kartenverkäuferin (und einstige Geliebte des Verstorbenen) Mrs. Fazackalee (Margaret Rutherford), der stets vom Alkohol versuchte Projektionist Mr. Quill (Peter Sellers) sowie – last but not least: Old Tom (Bernard Miles), der verhuschte Hausmeister und Platzanweiser, der sich nichts sehnlicher wünscht als eine stattliche Uniform. Letzterer ist es, der die beste (sehr heiße) Lösung für alle Probleme findet: »It were the only way, weren't it?«
R Basil Dearden B William Rose, John Eldridge K Douglas Slocombe M William Alwyn A Allan Harris S Oswald Hafenrichter P Michael Relph D Bill Travers, Virginia McKenna, Peter Sellers, Margaret Rutherford, Bernard Miles | UK | 80 min | 1:1,37 | sw | 9. April 1957
# 908 | 12. September 2014
»Well, I’m sure there is a business like show business, but somehow I don’t think this is it.« Wer träumte nicht von einer Erbschaft aus heiterem Himmel? Dem jungen Schriftsteller Matt Spencer fällt dieses unverhoffte Glück in den Schoß. Zusammen mit seiner Ehefrau Jean reist er nach Sloughborough, um die Hinterlassenschaft des unbekannten Großonkels in Augenschein zu nehmen: ein Kino. Dabei handelt es sich allerdings nicht, wie kurz zu vermuten steht, um den ultramodernen Filmpalast ›The Grand‹ sondern um das gegenüberliegende, vormals ehrwürdige ›Bijou Kinema‹ – am Ort auch als »the flea pit« bekannt. Zwischen zwei vielbefahrene Bahnstrecken gezwängt, atmet der marode Kintopp die schwülstig-staubige Atmosphäre längst vergangener Stummfilmzeiten. Als einzige Chance, Geld zu erlösen, erscheint der Verkauf an den überheblichen Besitzer des ›Grand‹, der das ›Bijou‹ abreißen will, um das Terrain als Parkplatz zu nutzen … Regisseur Basil Dearden, lange Jahre für die Ealing-Studios tätig, knüpft, zusammen mit Autor William Rose (der unter anderem »The Ladykillers« schrieb), an die spezifische Komödientradition des Hauses an: ein Zusammenstoß von Klein (bzw. Alt) und Groß (bzw. Neu), ein pittoreskes Setting, kuriose Situationen und – most of all: spleenige Typen. Tatsächlich ist es vorrangig das skurrile Personal des ererbten Kinos, das den großen Reiz der »Smallest Show on Earth« ausmacht: die kauzige Kartenverkäuferin (und einstige Geliebte des Verstorbenen) Mrs. Fazackalee (Margaret Rutherford), der stets vom Alkohol versuchte Projektionist Mr. Quill (Peter Sellers) sowie – last but not least: Old Tom (Bernard Miles), der verhuschte Hausmeister und Platzanweiser, der sich nichts sehnlicher wünscht als eine stattliche Uniform. Letzterer ist es, der die beste (sehr heiße) Lösung für alle Probleme findet: »It were the only way, weren't it?«
R Basil Dearden B William Rose, John Eldridge K Douglas Slocombe M William Alwyn A Allan Harris S Oswald Hafenrichter P Michael Relph D Bill Travers, Virginia McKenna, Peter Sellers, Margaret Rutherford, Bernard Miles | UK | 80 min | 1:1,37 | sw | 9. April 1957
# 908 | 12. September 2014
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Erbschaft,
Film,
Geld,
Kino,
Kleinstadt,
Komödie,
Rutherford,
Sellers
6.12.56
Hollywood or Bust (Frank Tashlin, 1956)
Alles um Anita
»Land of stardust and land of glamour / Vistavision and cinerama.« Eine Hommage an das Kino und seine Klischees: Während die Credits laufen, posiert eine blonde Pin-up-Walküre (Anita Ekberg) in wechselnden Kostümen standbildhaft vor diversen Tinseltown-Szenerien – Hotels, Palmen, Restaurants, Studiokulissen. So statuarisch wie das Opening gestaltet sich auch der weitere Verlauf des Werks, obschon der (dünne) Erzählfaden einer Reisebewegung quer durch die Vereinigten Staaten folgt. In New York gewinnen der eingefleischte Filmfan Malcolm Smith (Jerry Lewis) und das ausgekochte Schlitzohr Steve Wiley (Dean Martin) – der eine ehrlich, der andere betrügerisch – zu gleichen Teilen den Hauptpreis einer Lotterie: ein feuerrotes Cabriolet. Gemeinsam macht sich das ungleiche Paar auf den Weg nach Westen: Malcolm will (in Begleitung der wachsamen Dogge Mr. Bascomb) seiner Abgöttin Anita in Hollywood einen Besuch abstatten, wogegen Steve die Luxuskarosse unterwegs zu versilbern gedenkt, um Schulden zu begleichen ... Regisseur Frank Tashlin bedient sich einer Art Schnappschuß-Dramaturgie, die das touristisch-musikalische Roadmovie um Starkult, Glück(sspiel) und Freundschaft (dem keine weitere Martin-Lewis-Komödie folgen wird) in eine unterhaltsame Reihe von gag cartoons und comicstripkurzen Absurdramoletten zerlegt.
R Frank Tashlin B Erna Lazarus K Daniel Fapp M Walter Scharf A Hal Pereira, Henry Bumstead S Howard A. Smith P Hal B. Wallis D Dean Martin, Jerry Lewis, Pat Crowley, Maxie Rosenbloom, Anita Ekberg | USA | 95 min | 1:1,85 | f | 6. Dezember 1956
# 1072 | 3. September 2017
»Land of stardust and land of glamour / Vistavision and cinerama.« Eine Hommage an das Kino und seine Klischees: Während die Credits laufen, posiert eine blonde Pin-up-Walküre (Anita Ekberg) in wechselnden Kostümen standbildhaft vor diversen Tinseltown-Szenerien – Hotels, Palmen, Restaurants, Studiokulissen. So statuarisch wie das Opening gestaltet sich auch der weitere Verlauf des Werks, obschon der (dünne) Erzählfaden einer Reisebewegung quer durch die Vereinigten Staaten folgt. In New York gewinnen der eingefleischte Filmfan Malcolm Smith (Jerry Lewis) und das ausgekochte Schlitzohr Steve Wiley (Dean Martin) – der eine ehrlich, der andere betrügerisch – zu gleichen Teilen den Hauptpreis einer Lotterie: ein feuerrotes Cabriolet. Gemeinsam macht sich das ungleiche Paar auf den Weg nach Westen: Malcolm will (in Begleitung der wachsamen Dogge Mr. Bascomb) seiner Abgöttin Anita in Hollywood einen Besuch abstatten, wogegen Steve die Luxuskarosse unterwegs zu versilbern gedenkt, um Schulden zu begleichen ... Regisseur Frank Tashlin bedient sich einer Art Schnappschuß-Dramaturgie, die das touristisch-musikalische Roadmovie um Starkult, Glück(sspiel) und Freundschaft (dem keine weitere Martin-Lewis-Komödie folgen wird) in eine unterhaltsame Reihe von gag cartoons und comicstripkurzen Absurdramoletten zerlegt.
R Frank Tashlin B Erna Lazarus K Daniel Fapp M Walter Scharf A Hal Pereira, Henry Bumstead S Howard A. Smith P Hal B. Wallis D Dean Martin, Jerry Lewis, Pat Crowley, Maxie Rosenbloom, Anita Ekberg | USA | 95 min | 1:1,85 | f | 6. Dezember 1956
# 1072 | 3. September 2017
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Komödie,
Los Angeles,
Musical,
New York,
Reise,
Roadmovie,
Romanze,
Tashlin
26.2.53
La signora senza camelie (Michelangelo Antonioni, 1953)
Die Dame ohne Kamelien
Eine sarkastische Betrachtung des Filmgeschäfts, ein trauriger Blick auf die Liebe: Am Verkaufstresen eines Mailänder Stoffgeschäfts wird die junge, hübsche Clara Matti (Lucia Bosè) von Produzent Gianni Franchi für die Leinwand rekrutiert. Das erfolgreiche Debüt in einem zweitklassigen Streifen eröffnet ihr die Aussicht auf eine belanglose Karriere als Trivialkino-Star. Gianni, der seine Entdeckung vom Fleck weg heiratet, hat indes Größeres vor: Clara soll die Jeanne d’Arc spielen. Das ambitionierte Unternehmen gerät zum Fiasko … Es ist ein durch und durch falsches Leben, in das Clara fällt wie in einen glänzenden Alptraum. In dieser Welt der oberflächlichen Gefühle, der inneren Leere, der stumpfen Geschäftigkeit sucht sie orientierungslos nach sich selbst, doch keiner ihrer Ausbruchsversuche führt an ein Ziel: nicht die Schauspielstunden, die sie nimmt, nicht die Affäre, auf die sie sich einläßt, nicht die Flucht aus ihrer riesigen Villa, nicht die Trennung von ihrem Mann. Wenn sie im eleganten schwarzen Kostüm oder im wadenlangen Pelzmantel verloren in halbfertigen Studiobauten steht oder durch öde Vorstadtstraßen läuft, wirkt die »Dame ohne Kamelien« wie eine Vorgängerin der ungeborgenen Frauenfiguren, denen Antonioni in »L’avventura«, »La notte«, »L’eclisse« und »Il deserto rosso« folgen wird. »La donna senza destino« heißt einer der billigen Filme, in denen die Clara reüssiert – am Ende fügt sie sich in ihr Schicksal. »Das ist dein Reich«, verkündet ihr ein fetter Produzent und weist mit großer Geste auf eine schäbige Kulisse. Clara weint. Und lächelt für die Fotografen.
R Michelangelo Antonioni B Michelangelo Antonioni, Suso Cecchi D’Amico, Francesco Maselli, Pier Maria Pasinetti K Enzo Serafin M Giovanni Fusco A Gianni Polidori S Eraldo Da Roma P Domenico Forges Davanzati D Lucia Bosè, Andrea Checchi, Ivan Desny, Gino Cervi, Alain Cuny | I & F | 105 min | 1:1,37 | sw | 26. Februar 1953
# 927 | 30. Dezember 2014
Eine sarkastische Betrachtung des Filmgeschäfts, ein trauriger Blick auf die Liebe: Am Verkaufstresen eines Mailänder Stoffgeschäfts wird die junge, hübsche Clara Matti (Lucia Bosè) von Produzent Gianni Franchi für die Leinwand rekrutiert. Das erfolgreiche Debüt in einem zweitklassigen Streifen eröffnet ihr die Aussicht auf eine belanglose Karriere als Trivialkino-Star. Gianni, der seine Entdeckung vom Fleck weg heiratet, hat indes Größeres vor: Clara soll die Jeanne d’Arc spielen. Das ambitionierte Unternehmen gerät zum Fiasko … Es ist ein durch und durch falsches Leben, in das Clara fällt wie in einen glänzenden Alptraum. In dieser Welt der oberflächlichen Gefühle, der inneren Leere, der stumpfen Geschäftigkeit sucht sie orientierungslos nach sich selbst, doch keiner ihrer Ausbruchsversuche führt an ein Ziel: nicht die Schauspielstunden, die sie nimmt, nicht die Affäre, auf die sie sich einläßt, nicht die Flucht aus ihrer riesigen Villa, nicht die Trennung von ihrem Mann. Wenn sie im eleganten schwarzen Kostüm oder im wadenlangen Pelzmantel verloren in halbfertigen Studiobauten steht oder durch öde Vorstadtstraßen läuft, wirkt die »Dame ohne Kamelien« wie eine Vorgängerin der ungeborgenen Frauenfiguren, denen Antonioni in »L’avventura«, »La notte«, »L’eclisse« und »Il deserto rosso« folgen wird. »La donna senza destino« heißt einer der billigen Filme, in denen die Clara reüssiert – am Ende fügt sie sich in ihr Schicksal. »Das ist dein Reich«, verkündet ihr ein fetter Produzent und weist mit großer Geste auf eine schäbige Kulisse. Clara weint. Und lächelt für die Fotografen.
R Michelangelo Antonioni B Michelangelo Antonioni, Suso Cecchi D’Amico, Francesco Maselli, Pier Maria Pasinetti K Enzo Serafin M Giovanni Fusco A Gianni Polidori S Eraldo Da Roma P Domenico Forges Davanzati D Lucia Bosè, Andrea Checchi, Ivan Desny, Gino Cervi, Alain Cuny | I & F | 105 min | 1:1,37 | sw | 26. Februar 1953
# 927 | 30. Dezember 2014
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