Blow Up
»It’s like finding a clue in a detective story.« Ein Fotograf unterwegs in London: aus der Obdachlosenabsteige zum fashion shoot im hippen Studio, vom Mittagessen mit dem Agenten zum picture taking in einen idyllischen Park. Die Stadt swingt, der Fotograf sieht alles mit dem gleichen berufsmäßigen Blick: notleidende Männer, hochgezüchtete Models, aufflatternde Tauben, ein heimlich beobachtetes Liebespaar – wichtig sind die markanten Perspektiven, die reizvollen Oberflächen, der stimmige Look, kurz: die Schau-Werte. »Blowup«, ein (topmodischer) Thriller des Sehens, zeigt das Abbilden der Umwelt nicht als interessierte Wahrnehmung äußerer Phänomene sondern als bewußte, bisweilen aggressive Formung von Wirklichkeit, bis hin zur Quasi-Vergewaltigung des betrachteten Motivs: »I’m only doing my job. Some people are bullfighters. Some people are politicians. I’m a photographer.« Michelangelo Antonioni porträtiert den (namenlosen) Fotografen (David Hemmings) als bornierten Macho und kalten Profi, der die fundamentale Gleichgültigkeit eines Objektivs in sich trägt; erst, als er in einer Fotoserie Hinweise auf ein Gewaltverbrechen zu bemerken glaubt, bricht durch den Panzer der Indifferenz so etwas wie Leidenschaft. Doch je angestrengter der Fotograf forscht, je größer er die Details aufbläst, je genauer er hinsieht, desto weniger ist zu erkennen, desto unschärfer wird das Gesamtbild, desto fraglicher erscheint die Möglichkeit von Gewißheit. Carlo Di Palmas Kamera findet dafür passende Arrangements: angeschnittene, fragmentierte Körper, oftmals zu künstlichen Posen erstarrt, häufig in spärlich möblierten Räumen oder farblich verfremdeten Settings. Als sich die Ahnung des Fotografen schließlich verflüchtigt, fällt er zurück in seine frühere Ungerührtheit: Erkenntnis ist illusorisch, der Schein bestimmt das Sein. »What did you see in that park?« – »Nothing.«
R Michelangelo Antonioni B Michelangelo Antonioni, Tonino Guerra, Edward Bond V Julio Cortázar K Carlo Di Palma M Herbie Hancock A Assheton Gorton S Frank Clarke P Carlo Ponti D David Hemmings, Vanessa Redgrave, Sarah Miles, Veruschka von Lehndorff, Jane Birkin, John Castle | UK & I & USA | 111 min | 1:1,85 | f | 18. Dezember 1966
# 836 | 20. Februar 2014
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