Das Fotomodell
Die Liebe des Auswärtigen, des Besuchers zu einer Stadt ist grundsätzlich anders als die des Einheimischen, des Bewohners: Ohne Erinnerungen, frei von Sehgewohnheiten, gesegnet mit dem unverbrauchten Blick des Fremden, kann sich der Durchreisende, der Gast, der Gestrandete fessellos treiben lassen, kann Oberflächenreize erkunden, kann Erscheinungen studieren. So macht es Jacques Demy, großes Kind, naiv Liebender, mit Los Angeles, dem Objekt seiner amerikanischen Begierde: »Model Shop« ist pure Phänomenologie. Die Figuren des Films – George (zugereist aus San Francisco – Gary Lockwood), ein junger Architekt, der mit seinem Leben gerade nicht besonders viel anzufangen weiß, und Lola (die eigentlich Cécile heißt und aus dem fernen Nantes stammt – Anouk Aimée), die unglückliche, rätselhaft-schöne Französin, der er nachstellt – sind nichts als Katalysatoren, die das neugierige Erkunden der Stadt ermöglichen. Ein Mann, der bald schon in den (Vietnam-)Krieg ziehen muß, eine Frau, die so bald wie möglich in die Heimat zurückkehren will, begegnen sich, verfolgen sich, beäugen sich, finden sich, verlassen sich. 24 Stunden in einer Stadt, die viele für häßlich halten, die aber in der Wirklichkeit des Kinos nur eines ist: reine Poesie. Eine kleine Ewigkeit in einer Stadt, die geschaffen scheint für endlose Fahrten im offenenen Wagen: über vermeintlich monotone Boulevards, vorbei an leuchtenden billboards, entlang des grafischen Liniengewirrs der Stromleitungen, hinauf in die Hügel – von denen sich das grandiose Panorama öffnet auf die magische Geometrie eines urbanen Happenings.
R Jacques Demy B Jacques Demy K Michel Hugo M Spirit A Kenneth A. Reid S Walter Thompson P Jacques Demy D Gary Lockwood, Anouk Aimée, Alexandra Hay, Carole Cole, Tom Holland | USA & F | 95 min | 1:1,85 | f | 11. Februar 1969
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