Die Kraniche ziehen
Der Mensch und das Glück – ein ekstatisches Melodram … Kraniche ziehen. Weronika und Boris haben sich gefunden. Der Krieg reißt die beiden auseinander. Sie wartet auf seine Rückkunft, läßt sich mit seinem Cousin ein, haßt sich und die ganze Welt dafür, wartet auf die Heimkehr des Geliebten. Der Krieg geht zu Ende. Boris kommt nicht wieder. Weronika ist allein. Kraniche ziehen … »Letjat schurawli« ist auch ein Film über die Liebe und den Krieg. Auch. Vor allem aber ist es ein Film über das Glück. Besser gesagt: über das Streben nach Glück, den Willen zum Glück. Das Leben selbst bleibt von diesem menschlichen Drang einigermaßen unbeeindruckt: Kraniche ziehen. Der Film findet denn auch für Euphorie und Tod die jeweils gleiche fulminante optische Entsprechung: Ein delirierender Kamerawirbel kann die Seligkeit bedeuten – und ihr absolutes Gegenteil. Jenseits dieser (und anderer) mitreißenden formalen Abstraktionen erzählen Michail Kalatosow und der begnadete Kameramann Sergei Urussewski eine berührende Geschichte um ganz einfache und zugleich hochkomplexe Gefühle; sie tun dies in eingängigen und zugleich radikalen Bildern, in exaltierten Weitwinkel-Kompositionen, die den Menschen in die Tiefe extremer Totalen schleudern, in drastischen Close-ups, die sein Innerstes nach außen stülpen, in furiosen Kamerafahrten, die das Getriebensein aller menschlichen Existenz verbildlichen. Natürlich ist das Geschehen, vor allem das Ende des Films, auch ganz anders zu betrachten: Die Liebe zu einem Einzelnen ginge auf in der Liebe zur Gemeinschaft; die Wiederkehr der Kraniche spräche von einem höheren Glück als der erfüllten persönlichen Sehnsucht. Das wäre dann jener (nicht nur sozialistische) Realismus, den »Letjat schurawli« auf der visuellen Ebene so großartig konterkariert.
R Michail Kalatosow B Wiktor Rosow V Wiktor Rosow K Sergei Urussevski M Moisei Wainberg A Jewgeni Swidetelew S Marija Timofejeva P Mosfilm D Tatjana Samoilowa, Alexey Batalow, Wassili Merkurjew, Alexander Schworin, Swetlana Charitonowa | SU | 97 min | 1:1,37 | sw | 12. Oktober 1957
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