19.5.78

Despair – Eine Reise ins Licht (Rainer Werner Fassbinder, 1978)

»Der perfekte Mord wäre der, der nie stattgefunden hat, aber dennoch verübt worden ist.« Berlin, um 1930 – Krise der Wirtschaft, Niedergang der Demokratie, Morgenröte der Nazis: Der russische Emigrant Hermann (disparat und desperat: Dirk Bogarde), »Sohn eines Deutschbalten und einer Rothschild«, bedrückt von den politischen Zeitumständen, von der ererbten Schokoladenfabrik, von seiner sinnlichen, aber hoffnungslos beschränkten Ehefrau Lydia (Andréa Ferréol), vor allem aber von der totalen Hohlheit der eigenen Existenz, sucht ein Entkommen aus seinem Dilemma – und findet es in einem Spiegelkabinett … »Sie wissen doch sicher, was ein Double ist?« fragt der vornehme Hermann den abgerissenen Felix (Klaus Löwitsch), den Mann, in dem er seinen Doppelgänger zu erkennen glaubt. »Nein«, sagt Felix. Darauf Hermann: »Aber Sie waren doch schon mal im Kino!?« Rainer Werner Fassbinders ultrakünstliche Adaption eines Romans von Vladimir Nabokov (nach einem Drehbuch des englischen Dramatikers Tom Stoppard) – ein metaphysisches Kriminalspiel, ein sperrig-luxuriöses, radikal überhöhtes Zeitbild, die psychopathologische Studie einer sich spaltenden Persönlichkeit – gleicht einem filmischen Labyrinth, das aus der hermetischen Art-Déco-Welt (Bauten: Rolf Zehetbauer) eines entwurzelten Ästheten ins schneeweiße Licht der erlösenden (Selbst-)Zerstörung führt: Verzweiflung als Chance, Wahnsinn als Weg.

R Rainer Werner Fassbinder B Tom Stoppard V Vladimir Nabokov K Michael Ballhaus M Peer Raben A Rolf Zehetbauer S Juliane Lorenz, Franz Walsch (= Rainer Werner Fassbinder) P Peter Märthesheimer D Dirk Bogarde, Andréa Ferréol, Klaus Löwitsch, Volker Spengler, Bernhard Wicki | BRD & F | 119 min | 1:1,66 | f | 19. Mai 1978

# 897 | 22. Juli 2014

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