23.11.48

Der Apfel ist ab (Helmut Käutner, 1948)

»Oh jemine, oh homine, / Wärst du doch sapiens gewesen.« Ein Mann, der sich nicht zwischen zwei Frauen entscheiden kann: hier die reine, dort die verführerische, die eine blond, die andere brünett. Apfelsafthersteller Adam Schmidt (Bobby Todd), von den Alternativen zerrissen, verzweifelt über sein Dilemma, denkt an Selbstmord. In der Nervenklinik von Professor Petri wird ihm erklärt, die ganze Welt sei krank, und jeder Einzelne trüge daran Schuld. Entgiftung und Selbsterziehung stehen auf dem Programm des Mediziners: Erst wenn der Mensch genäse, könne auch die Zeit wieder in den Takt kommen … Es ist eine sonderbare Chimäre, die Helmut Käutner in seiner filmischen Retorte erzeugt – das Studio als Laboratorium, wo Kabarett und Psychotherapie, Revue und Zeitkritik, Quatsch und Mysterienspiel ungeniert verpanscht werden. Das Ergebnis ist eine aparte Mißgeburt, die ihren spezifischen Reiz allenfalls aus der Disparität der zusammengerührten Elemente gewinnt. In einer bizarren Traumsequenz, die surreale Kulissen und naive Puppentricks, jubelnde Engelsorgeln und teuflische Jazzarrangements bemüht, streift Adam durch Himmel (mit Käutner als vollbärtigem Petrus) und Hölle (wo Arno Assmann als frivoler Luzifer um Kundschaft buhlt), gelangt – man weiß, warum – vom Paradies auf die Erde, erlebt Genesis und Sündenfall als (mehr oder weniger lustiges) Tingeltangel. Adams Problem erfährt schließlich eine göttliche Lösung: Eva, das weiße Häschen (Bettina Moissi), und Lily, die schwarze Schlange (Joana Maria Gorvin), werden zu einem einzigen Wesen verquickt. Wer mag, darf in dieser symbolischen Verschmelzung von Gut und Böse (≈ von Links und Rechts, von Ost und West) so etwas wie die treuherzige Vorstellung eines dritten Weges erkennen, auf dem der gesundete Mensch seinem Glück entgegenwandern darf.

R Helmut Käutner B Helmut Käutner, Bobby Todd V Kurd E. Heyne, Helmut Käutner, Bobby Todd K Igor Oberberg M Bernhard Eichhorn A Gerhard Ladner, Wolfgang Znamenacek S Wolfgang Wehrum P Helmut Käutner D Bobby Todd, Bettina Moissi, Joana Maria Gorvin, Helmut Käutner, Arno Assmann, Irene von Meyendorff | D (W) | 103 min | 1:1,37 | sw | 23. November 1948

# 881 | 15. Juni 2014

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