Der Mann, der sich die Haare kurz schneiden ließ
Liebe, Schönheit und Tod oder Die Ballade vom richtigen Leben … Govert Miereveld, Jurist, Familienvater, Lehrer an einem Mädchengymnasium, verliert sein Herz an die Schülerin Fran, freilich ohne ihr seine Zuneigung zu gestehen. Nach dem Abgang der hoffnungslos Angebeteten (die sich auf dem Diplomfest mit einem brechtisch-weillschen Chanson –»Was morgen kommt, kann schlimmer sein. / Was morgen kommt, kann besser sein.« – verabschiedet), quittiert auch Govert den Schuldienst, um sein Dasein fortan als Gerichtsbeamter zu fristen. André Delvaux erzählt, gleichzeitig als Innenschau und Außenansicht, die Geschichte einer unbezähmbaren Erotomanie, eines süßen Wahns, den der Liebeskranke weniger als rauschhafte Ekstase denn als lähmenden Erschöpfungszustand erlebt … Jahre später, nachdem er kurz zuvor als angewiderter Zeuge der Exhumierung eines mutmaßlichen Bankräubers beigewohnt hatte, trifft Govert die vergötterte Frau (die mittlerweile eine gefeierte Sängerin ist) zufällig wieder. Ob die folgende innige Aussprache tatsächlich stattfindet oder sich nur in der Phantasie eines Verrückten abspielt, bleibt ebenso offen wie die Frage, ob Govert Fran tatsächlich getötet hat oder lediglich aufgrund seiner geistigen Zerrüttung in eine Heilanstalt eingewiesen wurde. So ambivalent wie die Hauptfigur Govert (≈ göttlicher Friede) Miereveld (≈ Ameisenhaufen) erscheint der ganze Film: Alles in Ghislain Cloquets so einfachen, so rätselhaften Schwarzweißbildern schwebt, schwimmt, schwankt, zwischen Sehnsucht und Begierde, zwischen Wachen und Träumen, zwischen Transparenz und Undurchsichtigkeit, zwischen Märchen und Schreckensnachricht.
R André Delvaux B André Delvaux, Anna de Pagter V Johan Daisne K Ghislain Cloquet M Frédéric Devreese A Jean-Claude Maes S Suzanne Baron P Paul Louyet, Jos Op De Beek D Senne Rouffaer, Beata Tyskiewicz, Hector Camerlynck, Paul s’Jongers, François Bernard | B | 98 min | 1:1,66 | sw | 5. September 1966
# 846 | 15. März 2014
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